Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 09.02.1994) |
Tenor
Die durch den Verurteilten in den USA erlittene Freiheitsentziehung in der Zeit vom 26.08.2000 bis zu seiner Festnahme durch deutsche Beamte am 29.07.2001 wird im Anrechnungsmaßstab 1: 1 auf die durch Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 09.02.1994, Aktenz.: … – 3 Ks jug., verhängte Einheitsjugendstrafe von 8 Jahren angerechnet.
Gründe
Am 09.02.1994 wurde der Verurteilte durch das Landgericht Mühlhausen wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung sowie gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung zu einer Einheitsjugendstrafe von 8 Jahren verurteilt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 25.08.1998, rechtskräftig seit 28.08.1998, wurde der Rest der Jugendstrafe zum 01.09.1998 zur Bewährung ausgesetzt.
Am 14.07.1999 wurde er durch das Amtsgericht Eisenach wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 06.04.2000 rechtskräftig.
Am 11.09.1999 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Das Urteil ist seit dem 13.06.2000 rechtskräftig.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 28.10.1999, rechtskräftig seit 13.12.1999, wurde die zur Bewährung ausgesetzte Restjugendstrafe widerrufen.
Aufgrund der drohenden Strafvollstreckungen flüchtete der Verurteilte aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Am 16.12.1999 erließ das Amtsgericht Erfurt einen Vollstreckungshaftbefehl. Nachdem der Aufenthalt des Verurteilten in den USA ausfindig gemacht werden konnte, wurde am 07.07.2000 durch den United States District Court, Eastern District of Washington, ein Haftbefehl zur Vorbereitung des Auslieferungsverfahrens erlassen. Der Verurteilte wurde am 26.08.2000 in den USA in Gewahrsam genommen. Ein förmliches Auslieferungsverfahren wurde jedoch nicht mehr eingeleitet, nach dem der Verurteilte am 11.09.2000 in den USA in Abschiebehaft genommen wurde. Am 29.07.2001 wurde er nach Deutschland abgeschoben.
Der Verurteilte hatte zunächst beantragt, die Dauer seiner Inhaftierung in den USA im Verhältnis von 1: 1,5 auf die noch zu vollstreckende Jugendstrafe anzurechnen. Er hat vorgetragen, er habe die gesamte Haftzeit in den Vereinigten Staaten in Einzelhaft verbringen müssen, wobei seine Unterbringung nicht den europäischen Strafvollzugsgrundsätzen entsprochen habe.
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hatte beantragt, keine Anrechnung vorzunehmen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt hat mit Beschluss vom 13.06.2003 eine Anrechnung der in der Zeit vom 26.08. bis 11.09.2000 erlittenen Freiheitsentziehung im Verhältnis von 1: 1 auf die noch zu vollstreckende Jugendstrafe vorgenommen und eine Anrechnung im übrigen abgelehnt.
Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten wurde durch Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 05.09.2003, Az.: 1 Ws 266/03, verworfen.
Auf die Verfassungsbeschwerde des Verurteilten hat das Bundesverfassungsgericht am 14.01.2005, Aktenz.: 2 BvR 1825/03, den Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 05.09.2003 und des Landgerichts Erfurt vom 13.06.2003 aufgehoben und die Sache an das Landgericht Erfurt zurückverwiesen.
Die Bedingungen, unter denen der Verurteilte in den USA inhaftiert war, konnten nicht näher aufgeklärt werden.
Der Verurteilte hat nunmehr ausdrücklich eine Anrechnung der in den USA erlittenen Haft in Maßstab von 1: 1 beantragt. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat ebenfalls eine Anrechnung der in der USA erlittenen Haftzeit im Maßstab von 1: 1 beantragt.
Gemäß § 450 a Abs. 1 StPO ist auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe auch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. Ein förmliches Auslieferungsverfahren wurde hier jedoch nicht durchgeführt. Lediglich in der Zeit vom 26.08. bis 11.09.2000 befand er sich in Gewahrsam zur Vorbereitung des Auslieferungsverfahrens. Bezüglich der anschließend vollstreckten Abschiebehaft ist zu prüfen, ob die Benachteiligung von Verurteilten, die sich nach Rechtskraft des Urteils in Abschiebehaft befanden, gegenüber solchen, die Auslieferungshaft erlitten haben, aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist oder ob ein Fall vorliegt, bei dem eine funktionale Verfahrenseinheit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts anzunehmen ist, bei der es das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG gebietet, eine Anrechnung in weitem Umfang vorzunehmen. Hier ist eine funktionale Verfahrenseinheit anzunehmen, weil die Festnahme des Verurteilten in den USA aufgrund eines internationalen Haftbefehls erfolgte, der aus Anlass der Verurteilung erging, die nunmehr vollstreckt werden soll.
Die Anrechnung der in den USA erlittenen Haft erfolgt grundsätzlich ...