Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zum Rechtsentscheid in Mietsachen: Rückforderungsanspruch wegen Mietpreisüberhöhung bei Wegfall des geringen Wohnungsangebots
Leitsatz (amtlich)
(abgedruckt in Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Gemäß ZPO § 541 Abs 1 S 1, Halbs 1 soll ein Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zu folgender Rechtsfrage eingeholt werden:
"Führt nach Abschluß eines Wohnraummietvertrages, in welchem unter Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum eine die üblichen Entgelte wesentlich übersteigende und deshalb teilweise nichtige Mietzinsvereinbarung getroffen wurde, der in den Zeitraum des auf BGB § 812 gestützten Rückforderungsanspruchs des Mieters fallende Wegfall des Merkmals eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum dazu, daß mit dem Wegfall dieses Merkmals auch Rückforderungsansprüche des Mieters entfallen?"
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat durch Rechtsentscheid vom 1999-03-03, 4 RE-Miet U 131/98, WuM 1999, 209 diese Frage verneint.
Die Kammer möchte von diesem Rechtsentscheid abweichen.
Nachgehend
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
Der Kläger mietete durch schriftlichen Vertrag, befristet vom 7. 11. 1992 bis zum 31. 10. 1993 mit halbjähriger Verlängerungsmöglichkeit, von dem Beklagten eine 60,02 m2 große Zweizimmerwohnung in Frankfurt am Main. Der Nettomietzins betrug zunächst 955,- DM und erhöhte sich aufgrund einer Staffelmietvereinbarung ab 1. 12. 1993 auf 1.003,- DM, ab 1. 12. 1994 auf 1.053,- DM, ab 1. 12. 1995 auf 1105,- DM, ab 1. 12. 1996 auf 1160,- DM und ab 1. 12. 1997 auf 1219,- DM.
Der Kläger kündigte den Mietvertrag am 5. 12. 1997 und zog aus. Mit vorliegender Klage begehrt er Rückzahlung angeblich überhöhter Miete für die Zeit von Vertragsbeginn bis Dezember 1997 in Höhe von 19410,- DM.
Das AG hat die Ansprüche für 1992 und 1993 als verjährt abgewiesen und der Klage im übrigen teilweise stattgegeben. Es hat eine Mietpreisüberhöhung in der Zeit von 1994 bis 1997 unter Zugrundelegung der jeweiligen Mietwerttabellen angenommen und ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum bejaht.
Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, daß die Voraussetzungen des § 5 WiStG nicht vorlägen: Das AG habe die zulässige Miete nicht zutreffend ermittelt und zu Unrecht angenommen, daß zumindest nach dem 1. 11. 1993 noch ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen vorgelegen habe.
Die Kammer geht davon aus, daß die Voraussetzungen des § 5 WiStG bei Vertragsabschluß vorgelegen haben, jedenfalls ab 1995 sich die Wohnungsmarktlage im Stadtgebiet Frankfurt am Main aber so entspannt hat, daß ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum nicht mehr als gerichtsbekannt unterstellt werden kann.
Bei Beachtung des oben genannten RE des OLG Hamburg wäre die Berufung auch für die Ansprüche ab 1995 dem Grunde nach unbegründet.
Die Kammer folgt dieser Ansicht nicht, sondern meint, daß in allen Zeiträumen, für die überhöhter Mietzins zurückverlangt wird, alle Tatbestandsmerkmale des § 5 WiStG vorliegen müssen.
Zunächst hätte das OLG Hamburg die ihm vorgelegte Frage dem BGH zur Entscheidung vorlegen müssen, da es von den RE der OLG Hamm (NJW 1983, 1622 (=WM 1983, 108)), Frankfurt am Main (ZMR 1985, 200 (=WM 1985, 139)) und des KG (WM 1995, 384) abgewichen ist. Zwar meint das OLG Hamburg, daß es sich um unterschiedliche Rechtsfragen handele. Bei der Beurteilung dieser Frage ist aber nicht ausschließlich auf den konkreten Tatbestand abzustellen, sondern auf die beiden Sachverhalten zugrundeliegende dogmatische Frage, ob bei Dauerschuldverhältnissen Veränderungen einzelner Tatbestandsmerkmale des § 5 WiStG Einfluß auf die teilweise Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung des Mietzinses haben. Diese Frage kann für die Tatbestandsmerkmale "unangemessen hohe Entgelte" und "Ausnutzung eines geringen Angebots" aber nur gleich beantwortet werden. Denn beide Merkmale sind strukturell gleichgewichtig. Ferner schließt das OLG Hamburg aus der Formulierung in § 5 Abs. 2 WiStG, wonach unangemessen hoch die Entgelte sind, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20% übersteigen, daß die Tatbestandsmerkmale wegen der kausalen Verknüpfung ("infolge") nur im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgelegen haben müssen. Zu den Handlungsformen in § 5 Abs. 1 WiStG, dem Fordern, Sichversprechenlassen oder Annehmen, meint das OLG, daß die Handlungsform des "Annehmens" zivilrechtlich keine selbständige Bedeutung habe.
Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen. Alle drei Handlungsformen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Dem Charakter des Mietverhältnisses als Dauerschuldverhältnis entspricht es, daß das regelmäßige Annehmen der unangemessen hohen Entgelte ein Dauerdelikt darstellt. Der Vorwurf ordnungswidrigen Verhaltens während eines längeren Zeitraums...