Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorpfändung
Leitsatz (redaktionell)
§ 845 ZPO setzt nicht voraus, dass der Gläubiger den Vollstreckungstitel bereits zugestellt erhalten und somit körperlich in Händen hat. Für § 845 ZPO genügt der Erlass eines Titels.
Normenkette
ZPO § 845
Verfahrensgang
AG Bad Vilbel (Entscheidung vom 21.07.1982; Aktenzeichen 7 M 1217/82) |
Tenor
Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 600,– DM.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere bestehen keine Bedenken an der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels, da der Schuldner erstmals durch den Berichtigungsbeschluss vom 12. August 1982 beschwert wird.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet, da die angefochtene Kostenentscheidung des Amtsgerichts billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes im Zeitpunkt der Erledigung entspricht, § 91 a ZPO.
Zutreffend hat das Amtsgericht die Auffassung vertreten, dass die Erinnerung des Schuldners gegen das von der Gläubigerin ausgebrachte vorläufige Zahlungsverbot erfolglos geblieben wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte. Insoweit kann vollinhaltlich auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses vom 21.7.1982 Bezug genommen werden. Entgegen der Auffassung des Schuldners setzt § 845 ZPO nicht voraus, dass der Gläubiger den Vollstreckungstitel bereits zugestellt erhalten und somit körperlich in Händen hat. Wenn Baumbach-Hartmann, ZPO, 40. Aufl., Anm. 1 b) zu § 845 ausführen, der Gläubiger müsse einen vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel in Händen haben, so kann dies nach Sinn und Bedeutung von § 845 ZPO nichts anderes bedeuten, als dass zu seinen Gunsten ein derartiger Titel bestehen muss, nicht aber, dass dieser dem Gläubiger auch tatsächlich „erteilt” sein muss (vgl. auch Zöller-Scherübl, ZPO, 12. Aufl., Anm. II) 1) zu § 845). Dies ergibt sich auch aus der Vorgeschichte, die zur Schaffung des § 845 ZPO in der jetzt gültigen Form führte. § 845 I S. 3 ZPO, wonach es der vorherigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und der Zustellung des Schuldtitels nicht bedarf, ist gerade deshalb durch die Novelle von 1998 (in den damaligen § 744 ZPO) eingeführt worden weil es zuvor in der Rechtsprechung zu Meinungsverschiedenheiten und Unklarheiten darüber gekommen war, ob eine Pfändungsvoranzeige schon sofort nach Verkündung eines vollstreckbaren Urteils erfolgen könne oder ob es dafür mindestens einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels, wenn nicht sogar der Zustellung bedürfe. Gerade um den Hauptzweck und Hauptwert der Rechtseinrichtung der Vorpfändung herauszuheben und zu sichern, ist sodann der ausdrückliche Hinweis in das Gesetz aufgenommen worden, dass es der vorherigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und der Zustellung des Schuldtitels nicht bedarf (vgl. OLG Düsseldorf in NJW 1975, S. 2210 m.w.Nachw). Für § 845 ZPO genügt der Erlass eines Titels (so ausdrücklich Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 845 ZPO Anm. A II a). Dass es der Zustellung dieses Vollstreckungstitels an den Schuldner vor Erlass des vorläufigen Zahlungsverbotes nicht bedarf, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 845 ZPO unmittelbar und wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich auch keine andere Beurteilung daraus, dass die Gläubigerin hier die Zwangsvollstreckung nach § 720a ZPO betreiben wollte, die gemäss § 750 III ZPO nur beginnen darf, wenn Urteil und Zwangsvollstreckungsklausel mindestens zwei Wochen vorher dem Schuldner zugestellt sind. Diese Zustellung fehlt hier zwar. Sie war aber auch nicht notwendig. § 845 ZPO sieht uneingeschränkt vom Erfordernis der Zustellung des Schuldtitels ab. Hätte der Gesetzgeber diese Vorschrift auf bestimmte Arten der Vollstreckung, etwa diejenige nach § 720a ZPO nicht erstrecken wollen, so hätte es nahegelegen bei Schaffung des § 720a ZPO einen ausdrücklichen Vorbehalt zu machen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 845 ZPO Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, die in den allgemeinen Vorschriften normiert werden, ausdrücklich entfallen lassen. Im übrigen ist von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung für den vergleichbaren Fall die Divergenz in den Zweckrichtungen der §§ 798 – Wartefrist für die Vollstreckung aus bestimmten Titeln – und 845 ZPO dahin gelöst worden, dass § 845 ZPO als die speziellere Vorschrift den Vorrang hat und schlechthin für alle Vollstreckungstitel gilt (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; Zöller-Scherübl, ZPO, 12. Aufl., Anm. I) zu § 798 und Anm. II) 1) zu § 845; Baumbach-Hartmann ZPO, 40. Aufl., Anm. 1) C zu § 798 und Anm. 4) D zu § 845). Das legt es nahe, den in der Interessenlage vergleichbaren Widerspruch von §§ 720a, 750 III ZPO einerseits und § 845 ZPO andererseits ebenfalls im Sinne eines Vorrangs von § 845 ZPO dahin zu lösen, dass eine Vorpfändung auch ohne Einhaltung der hier zweiwöchigen Wartefrist zulässig ist (so wohl auch Zöller-Scherübl, a. a. O. Anm. 111) 2) a) zu § 750).
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