Leitsatz (amtlich)
Eine GdWE darf einen Rechtsanwalt am Ort des Sitzes ihres Verwalters beauftragen, insoweit dem Rechtsanwalt entstehende Reisekosten zum Gerichtstermin sind notwendig iSv § 91 ZPO.
Verfahrensgang
AG Offenbach (Beschluss vom 25.11.2022; Aktenzeichen 320 C 27/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Offenbach am Main vom 25.11.2022 aufgehoben, soweit die Festsetzung von Reisekosten des Rechtsanwalts der Beschwerdeführerin zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird insoweit an das Amtsgericht Offenbach am Main zur weiteren Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO statthaft und zulässig.
Sie ist auch begründet, denn das Amtsgericht hat zu Unrecht die Reisekosten nur für die fiktiven Reisekosten zum Gerichtsterin vom Ort der WEG festgesetzt.
Allerdings ist zutreffend, dass maßgeblich für die Frage, welche Reisekosten für den Rechtsanwalt erstattungsfähig sind, zunächst der Sitz der Partei ist, so dass im Grundsatz Reisekosten nur bis zur Höhe von fiktiven Reisekosten zum weitentferntesten Ort im Gerichtsbezirk erstattungsfähig sind, wenn ein Rechtsanwalt an einem anderen Ort beauftragt wird.
Allerdings ist anerkannt, dass bei einer juristischen Person die tatsächliche Struktur zu berücksichtigen ist, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht formal der Sitz des Unternehmens ausschlaggebend ist, sondern die tatsächliche Organisation des Unternehmens, so dass ein Rechtsanwalt etwa an dem Ort beauftragt werden kann, von dem üblicherweise Rechtsstreitigkeiten nach der internen Struktur bearbeitet werden (BGH NJW 2006, 3008). Ebenso ist für Wohnungseigentümergemeinschaften anerkannt, dass es nicht auf den Ort ankommt, in welchem sich die Anlage befindet, sondern auf den Sitz des Verwalters (LG Rostock BeckRS 2020, 12106; LG Aurich BeckRS 2011, 7121).
Dies gilt für das vorliegend anwendbare reformierte Wohnungseigentumsrecht erst Recht, denn der Verwalter ist insoweit gemäß § 9b WEG der gesetzliche Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft und daher für die Prozessführung der Gemeinschaft zuständig.
Zutreffend ist allerdings auch, dass in Ausnahmefällen eine Verpflichtung einer Partei besteht, im Rahmen der Maßnahmen zur zweckentsprechenden und kostenschonenden Rechtsverfolgung einen Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichtes zu beauftragen. Voraussetzung hierfür ist allerdings zunächst, dass es sich um eine besonders rechtskundige Partei handelt, etwa um ein Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung (BGH NJW-RR 2012, 695). Zum anderen ist eine Ausnahme für den Fall anerkannt, wenn der Streit in tatsächlicher Hinsicht überschaubar ist, etwa wenn eine Geldforderung im Streit steht und die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben (BGH aaO).
Beide Voraussetzungen liegen vorliegend entgegen der Auffassung des Amtsgerichts aber nicht vor. Zwar ist die Klägerin von einem gewerbsmäßigen Verwalter vertreten worden, dieser steht aber nicht einer Rechtsabteilung eines Unternehmens gleich. Hierfür wäre zumindest erforderlich, dass er über entsprechende Rechtskenntnisse verfügt und Rechtsstreitigkeiten selbst abarbeitet. Dies ist bei Verwaltern üblicherweise nicht der Fall, sondern diese bedienen sich – wie auch hier geschehen – zur Forderungsdurchsetzung der Hilfe von Rechtsanwälten. Alleine dass der Verwalter über gewisse Rechtskenntnisse verfügen muss, um seine Verwaltungsaufgaben erfüllen zu können, genügt insoweit der Gleichstellung mit einem Unternehmen mit Rechtsabteilung nicht. Dass es vorliegend anders war, etwa der Verwalter über eine Rechtsabteilung verfügte, ist nicht ersichtlich.
Es handelte sich vorliegend zudem nicht um einen Streit, bei welchem von Beklagtenseite keine Einwendungen zu erwarten waren, denn bereits in der Klage wurde auf eine umfassende Kommunikation mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten verwiesen und auf gegensätzliche Rechtsansichten Bezug genommen.
Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin einen Rechtsanwalt am Sitz ihres Verwalters beauftragt. Die dann für den Gerichtstermin entstandenen Reisekosten sind notwendig im Sinne von § 91 ZPO. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Beauftragung für das Klageverfahren. Insoweit der Auftrag noch von dem bis 31.12.2021 beauftragten Verwalter erteilt wurde, ist dessen Sitz maßgeblich, ist der Auftrag erst von dem neuen Verwalter erteilt worden, gab es keinen Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts an einem dritten Ort.
Die Kammer macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung (§ 573 Abs. 3 ZPO) Gebrauch, damit die Kosten neu berechnet werden können und Feststellungen zum Zeitpunkt der Beauftragung getroffen werden können.
Gründe die Rechtsbeschwerde zuzulassen...