Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.12.2010)

 

Tenor

In der Strafsache ... wird die Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 29.12.2010, durch den der Antrag der Beschwerdeführerin auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen wurde, kostenpflichtig verworfen.

 

Gründe

1.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main erließ am 09.11.2010 gegen die Beschwerdeführerin einen Strafbefehls wegen eines Falles des Schwarzfahrens (Schaden 2,30 EUR), in dem eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10,- EUR festgesetzt wurde.

Hiergegen legte die Beschwerdeführerin durch Schreiben ihres Wahlverteidigers Rechtsanwalt Dr. vom 03.12.2010 form- und fristgerecht Einspruch ein. Nachdem das Amtsgericht einen zeitnahen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt hatte, beantragte Rechtsanwalt Dr. mit Schreiben vom 16.12.2010, der Beschwerdeführerin als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Weiterhin wies er darauf hin, dass die Beschwerdeführerin durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 14.12.2010 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr mit Bewährung verurteilt worden sei und insoweit Gesamtstrafenfähigkeit bestehe. In Hinblick darauf beantragte er, "das Verfahren gemäß § 154 StPO (nach Pflichtverteidigerbestellung) einzustellen".

Das Amtsgericht Frankfurt am Main stellte mit Beschluss vom 29.12.2010 das Verfahren antragsgemäß nach § 154 II StPO ein und wies mit gesondertem Beschluss vom gleichen Tag den Antrag auf Bestellung von Rechtsanwalt Dr. zum Pflichtverteidiger zurück, da kein Fall notwendiger Verteidigung gemäß § 140 StPO vorliege.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

2.

Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Die Frage, ob die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung gemäß § 140 StPO lediglich zum Zeitpunkt der Antragstellung oder auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Beiordnungsantrag vorliegen müssen, kann hier dahinstehen, da bereits bei Antragstellung eine Beiordnung nicht in Betracht kam.

Eine vorliegend alleine mögliche Beiordnung gemäß § 140 II StPO wegen der "Schwere der Tat" oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage scheidet aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls aus. Der Beschwerdeführerin wird ein sachlich und rechtlich einfach gelagerter Fall der Beförderungserschleichung vorgeworfen.

Zwar wäre vor der Einstellung des Verfahren nach § 154 II StPO unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 14.12.2010 die Verhängung einer Gesamtstrafe von über einem Jahr in Betracht gekommen, was nach überwiegender Meinung regelmäßig die Mitwirkung eines Verteidiger erforderlich macht (vgl. OLG Frankfurt am Main, StV 2001, 106; OLG Hamm StV 2004, 586; KK- Laufhütte, StPO, § 140 Rz. 21; LR-Lüdersen/Jahn, StPO, § 140 Rz. 57; BeckOK - Wessing, StPO, § 140 Rz 15; Meyer-Goßner, StPO, § 140 Rz 23 jeweils m.w.N.). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine starre Grenze (vgl. OLG Zweibrücken, NStZ 85, 135; Meyer-Goßner, a.a.o., § 140 Rz 23 m.w.N).

Unter Berücksichtigung des Sinn und Zweck des § 140 StPO, der als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips eine faire Verfahrensführung und eine effektiven Verteidigung des Beschuldigten gewährleisten soll (vgl. KK-Laufhütte, § 140 Rz. 1) kann die Frage, ob ein Verteidiger beizuordnen ist, nicht losgelöst von allen in Betracht zu ziehenden Umständen des Einzelfalls entschieden werden (so auch OLG Zweibrücken, a.a.o.).

Danach liegen die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung hier nicht vor.

Bei der noch abzuurteilenden Tat handelte es sich um ein geringfügiges Delikt, nämlich eine Beförderungserschleichung mit einem Schaden von 2,30 EUR. Der hierfür zu erwartende Strafumfang war mit den im Strafbefehl festgesetzten 25 Tagessätzen zu je 10,- EUR bereits in groben Zügen konkretisiert. Eine Einstellung des Verfahrens in Hinblick auf die gesamtstrafenfähige Verurteilung war naheliegend, aber auch im Falle einer Gesamtstrafenbildung wäre lediglich eine geringfügige, für die Verurteilte nicht wesentlich ins Gewicht fallende Erhöhung der bereits rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr zu erwarten gewesen. Da nach Art um Umfang des Tatvorwurfs auch Auswirkungen auf die Strafaussetzung zur Bewährung ausgeschlossen gewesen wären, war die Mitwirkung eines Verteidigers unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 I StPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI4017117

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