Leitsatz (amtlich)

Beschlüsse, die dazu führen, dass die Umsetzung eines rechtskräftig für ungültig erklärten Beschlusses fortgesetzt wird, unterlaufen den Folgenbeseitigungsanspruch und entsprechen daher im Regelfall nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

 

Verfahrensgang

AG Seligenstadt (Beschluss vom 10.09.2021; Aktenzeichen 1 C 694/20 (2))

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des AG Seligenstadt vom 10.09.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Mai 2017 hatten die Eigentümer die Erneuerung sämtlicher Wohnungseingangstüren und die Vergabe des Auftrages an ein Handwerksunternehmen beschlossen. Während des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens wurde der Beschluss aufgehoben und neu gefasst. Auch dieser Beschluss wurde angefochten und rechtskräftig für ungültig erklärt. Der Verwalter erteilte während des laufenden Anfechtungsverfahrens den Auftrag an den Handwerker. Dieser erhielt vertragsgemäß einen Vorschuss von rund 100.000 EUR. Er baute jedoch lediglich 31 Türen ein und stellte die Arbeit dann unter Verweis auf das laufende Anfechtungsverfahren ein.

Auf der Eigentümerversammlung vom 21. Oktober 2020 fassten die Eigentümer sodann den Beschluss, den Handwerker zunächst außergerichtlich zum Einbau der restlichen 92 Türen unter Fristsetzung aufzufordern und nach Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten und den gezahlten Vorschuss gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen.

Die Kläger haben diesen Beschluss angefochten, da sie der Auffassung sind, nach Ungültigerklärung der Beschlüsse über den Einbau der Türen, dürfe die Eigentümergemeinschaft keine Aktivitäten entfalten, die dazu führen könnten, dass es zum Einbau kommt.

Die Beklagten sind der Auffassung, ohne die beschlossene Vorgehensweise sei ein Rücktritt nicht möglich.

Nachdem der Handwerker die Türen nicht eingebaut hat und zwischenzeitlich mit einem rechtskräftigen Versäumnisurteil zur Rückzahlung der Vorschüsse verurteilt worden ist, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmen für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Kosten des Verfahrens den Beklagten auferlegt, da es der Auffassung war, durch die Aufforderung zum Einbau der Türen wäre der für ungültig erklärte Beschluss weiter vollzogen worden. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 91a Abs. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig. Sie hat keinen Erfolg.

In Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 422).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Entscheidung des Amtsgerichts als ermessensfehlerfrei. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden.

Zutreffend ist allerdings zunächst, dass der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG aF ursprünglich verpflichtet war, den gefassten Wohnungseigentümerbeschluss umzusetzen, denn dieser war bis zu seiner rechtskräftigen Ungültigerklärung wirksam (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG). Daher war der Verwalter unabhängig von der Frage eines Anfechtungsverfahrens nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, den Beschluss zu vollziehen (BGH NJW 2018, 3305), hier also der Vertrag mit dem Handwerkerunternehmen abzuschließen. Zutreffend ist ebenfalls, dass die Ungültigerklärung des Beschlusses auf das Vertragsverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Handwerksunternehmen keinen Einfluss hat, so dass die in diesem Verhältnis bestehenden wechselseitigen Leistungspflichten unberührt bleiben. Denn die Ungültigerklärung eines Beschlusses betrifft alleine die interne Willensbildung der Eigentümergemeinschaft und hat daher auf das Außenverhältnis keine Auswirkungen (näher Zschieschack, FS Riecke, 2019, 477 = ZMR 2020, 387).

Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob es (noch) ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn die Wohnungseigentümer nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Beschlusses weiterhin gegenüber ihrem Vertragspartner die Erfüllung des eingegangenen Vertrages begehren. Insoweit ein Beschluss für ungültig erklärt worden ist, besteht innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Folgenbeseitigungsanspruch, d.h. die Wohnungseigentümer müssen versuchen die Folgen des nunmehr als nicht ordnungsgemäß erkannten Beschlusses soweit wie möglich rückgängig zu machen (vgl. nur Bärmann/Becker, WEG, § 27 Rn. 23; Jennißen/Zschieschack, WEG, § 27 Rn. 20; Jennißen/Sc...

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