Verfahrensgang

AG Kassel (Urteil vom 17.06.2010; Aktenzeichen 800 C 353/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 17.06.2010 abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 728,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2007 sowie weiterer 196,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, dass die Klägerin des Rechtsmittels durch Rücknahme der gegenüber dem Landgericht Kassel eingelegten Berufung (1 S 407/10) für verlustig erklärt wurde. Denn durch eine Rücknahmeerklärung geht der Berufungskläger nur des eingelegten Rechtsmittels verlustig, er verliert jedoch nicht das Recht auf Berufung überhaupt (Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 516 Rn. 17).

2. Die Berufung ist auch begründet. Der Anspruch auf das rückständige Wohngeld sowie auf den Rückstand aus der Abrechnung für 2006 steht der Klägerin gemäß § 16 Abs. 2 WEG zu.

a) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – der Verwalter zur Vertretung der klagenden Wohnungseigentümer im vorliegenden Rechtsstreit berechtigt, ohne dass es zuvor eines Beschlusses der Wohnungseigentümer bedurfte. Zwar ist ein Verwalter nicht kraft Gesetzes berufen, Ansprüche der Wohnungseigentümer oder des Verbandes gerichtlich geltend zu machen, vielmehr ist es grundsätzlich Sache der Wohnungseigentümer darüber zu befinden, ob ein Prozess geführt werden soll. Die Wohnungseigentümer können den Verwalter aber durch Beschluss oder Vereinbarung bevollmächtigen, ihnen oder der Gemeinschaft zustehende Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, im Umfang der erteilten Vertretungsmacht ist der Verwalter berechtigt auch ohne einen besonderen Eigentümerbeschluss einen Rechtsanwalt mit der Vertreter der Wohnungseigentümer oder der Gemeinschaft in einem gerichtlichen Verfahren zu beauftragen (BGH, NZM 2012 562 Rn 6). Dies ist vorliegend in der Teilungserklärung … geschehen, denn dort ist ausdrücklich festgelegt, dass der Verwalter in „Erweiterung bzw. Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen” die Befugnis hat, die von den Wohnungseigentümern nach § 15 der Gemeinschaftsordnung zu entrichteten Beiträge einzuziehen und diese gegenüber Säumigen gerichtlich geltend zu machen. Da Gegenstand des § 15 der Teilungserklärung die streitgegenständlichen Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums sind, besteht eine entsprechende Befugnis des Verwalters.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Verwaltervertrag zeitlich vor der Unterzeichnung der Teilungserklärung geschlossen wurde. Dies führt – anders als die Beklagten meinen – nicht zur Unwirksamkeit der Verwalterbestellung. Denn die Verwalterbestellung ist … der Teilungserklärung erfolgt, damit wurde die Amtsstellung des Verwalters begründet (vgl. Niedenführ, WEG, § 26 Rn 6; Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, § 26 Rn 21). Insoweit ist auch für den Beginn der Amtszeit des Verwalters die Regelung in der Teilungserklärung maßgeblich, eine andersartige Bestimmung im Verwaltervertrag wäre insoweit unwirksam (Bärmann/Merle § 26 Rz 70). Indes liegt eine abweichende Bestimmung im vorliegenden Fall ohnehin nicht vor, denn der Verwaltervertrag bestimmt ausdrücklich, dass die Verwalterbestellung ab Eintragung der Teilungserklärung erfolgen soll (Bl. 6 d. A.). Zudem beruht – entgegen der Ansicht der Beklagten – die im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Befugnis des Verwalters, der Gemeinschaft zustehende Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, nicht auf dem Verwaltervertrag sondern auf der Teilungserklärung. Soweit die Beklagten insoweit der Ansicht sind, einzelne Punkte der Gemeinschaftsordnung seien unwirksam, so ist dies im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn dies der Fall wäre, berührt dies die Bestellung des Verwalters als solche oder die Einräumung der Befugnis Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft in Prozessen geltend zu machen nicht und führt auch nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Gemeinschaftsordnung. Denn die Ermächtigung des Verwalters Ansprüche der Gemeinschaft gerichtlich durchzusetzen in der Gemeinschaftsordnung ist vom BGH ausdrücklich gebilligt worden (BGH NZM 2012, 562 Rn. 10). Ebenfalls ist die – nicht in der Gemeinschaftsordnung – sondern in der Teilungserklärung erfolgte Bestellung des Verwalters – wie ausgeführt – zulässig.

b) Die Beklagten sind auch Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Entgegen der Ansicht der Beklagten ändert hieran weder die Anfechtung des Kaufvertrages etwas...

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