Leitsatz (amtlich)
1. Sind vom Verwalter vorbereitete Beschlüsse angefochten worden, entspricht ein Entlastungsbeschluss für den Zeitraum der Beschlussfassung in der Regel nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn das Anfechtungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
2. In einem Formularvertrag kann der Verwalter nicht generell eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausschließen.
Verfahrensgang
AG Seligenstadt (Urteil vom 15.05.2019; Aktenzeichen 1 C 444/18 (2)) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 15.05.2019 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Klage bezüglich des TOP 2.2 der Versammlung vom 23.05.2018 abgewiesen wurde. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.05.2018 zu TOP 2.2 wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien bilden eine WEG. Soweit für das Berufungsverfahren relevant, haben die Kläger die Beschlussfassung zu TOP 2.2 bezüglich der Entlastung der Hausverwaltung der ETV vom 23.05.2018 angefochten.
Die Kläger haben – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse – die Ansicht vertreten, dieser Beschluss widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, da Schadensersatzansprüche gegen die Verwalterin betreffend das Wirtschaftsjahr 2017 in Betracht kämen. Im Rahmen einer ETV im Jahre 2017 habe sie zwei unbestimmte Beschlüsse fassen lassen. Diese Beschlüsse seien angefochten worden, nach Beschlussaufhebung im Wege des gerichtlichen Vergleichs … seien die Kosten gemäß § 91a ZPO gegeneinander aufgehoben worden. Insofern kämen Ersatzansprüche betreffend die Prozesskosten in Betracht.
Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgen, soweit das Amtsgericht der Klage nicht bereits stattgegeben hat. …
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat Erfolg. Der Entlastungsbeschluss zu TOP 2.2 der ETV vom 23.05.2018 entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
Die Entlastung ist eine Erklärung der Sondereigentümer, dass sie die Ausführung der Verwaltertätigkeit betreffend einen bestimmten Zeitraum billigen (vgl. nur Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten WEG § 28 Rn. 241). Sie bewirkt daher als negatives Schuldanerkenntnis, dass den Sondereigentümern keine Ansprüche gegen den Verwalter zustehen, die bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren (Niedenführ/Vandenhouten WEG § 28 Rn. 376). Ein Entlastungsbeschluss widerspricht daher dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ansprüche gegen die Verwaltung in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten (BGH ZMR 2010, 300; BGHZ 156, 19). Soll über die Entlastung trotz womöglich bestehender Ansprüche gegen den Verwalter beschlossen werden, ist demzufolge ein einstimmiger Beschluss gem. § 21 Abs. 1 erforderlich; ein Mehrheitsbeschluss ist anfechtbar (Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 28 Rn. 199; Riecke/Schmid/Abramenko § 28 Rn. 184; jew. mwN). Als hinreichenden Grund eine Entlastung zu verweigern, sieht der BGH bereits eine unzureichende Erstellung der Jahresabrechnung an (BGH ZMR 2010, 300).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe kommen Ansprüche gegen die Verwalterin für den von der Entlastung betroffenen Zeitraum in Betracht, so dass der Entlastungsbeschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
Soweit die Verwalterin allerdings angefochtene Beschlüsse bereits umgesetzt hat, kann ihr hieraus – entgegen der Auffassung der Klägerin – kein Vorwurf gemacht werden, der zu einer Schadensersatzpflicht führen kann. Zu einer derartigen Umsetzung war sie vielmehr sogar verpflichtet (§§ 23 Abs. 4 S. 2, 27 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WEG). Eine Nichtigkeit der durchgeführten Beschlüsse ist nicht ersichtlich.
Ersatzansprüche kommen aber im Hinblick auf die Beschlussfassungen im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 11.05.2017 in Betracht, die Gegenstand eines Anfechtungsverfahrens waren, welches zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Entlastung noch lief und letztlich mit einer Kostenaufhebung nach Aufhebung der gefassten Beschlüsse im Vergleichswege endete.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2019, 3446) kann ein Anfechtungsverfahren zu Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter führen. Ein derartiger – eigener – Anspruch der WEG kann etwa dann bestehen, wenn das Verbandsvermögen – wie üblich – für die Prozessfinanzierung benutzt wird (BGH aaO Rn. 10).
Ob die Beschlüsse der Versammlung vom 11.05.2017 nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprachen, kann hier offenbleiben, denn dies ist im Prozess über den Schadensersatzanspruch zu klären (vgl. nur Niedenführ aaO § 28 Rn. 383). Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist insoweit auch ohne Relevanz, dass die Kammer in...