Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsmittel bedarf nach § 64 Abs. 2 S. 4 FamFG auch dann einer Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Bevollmächtigten, wenn es im Rahmen einer richterlichen Anhörung eingelegt wird.
Verfahrensgang
AG Lörrach (Entscheidung vom 29.10.2011; Aktenzeichen 22 XIV 87 B/11) |
Tenor
1.
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 29.10.2011 - 22 XIV 87 B/11 - wird als unzulässig verworfen.
2.
Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Betroffene ist sudanesischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28.10.2011 aus der Schweiz kommend ins Bundesgebiet ein. Er konnte keinerlei Ausweispapiere vorweisen. Eine Datenbankrecherche ergab, dass der Betroffene sich bereits im Jahre 2007 in Italien aufgehalten hatte. Nach eigenen Angaben hat der Betroffene sich seitdem in Italien aufgehalten und wollte in Deutschland bleiben.
Die Bundespolizei stellte mit Schreiben vom 29.10.2011 beim Amtsgericht Lörrach einen Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien bis 23.12.2011 (As. 1).
Nach persönlicher Anhörung des Betroffenen am gleichen Tag (As. 7) ordnete das Amtsgericht Lörrach durch Beschluss vom 29.10.2011 (As. 11) Zurückschiebungshaft bis längstens zum 09.12.2011 an. Im Protokoll der Anhörung durch das Amtsgericht ist festgehalten, dass der Betroffene Beschwerde einlege. Unterschrieben ist das Protokoll der Anhörung lediglich durch den Richter.
Das Amtsgericht Lörrach hat die Beschwerde mit Nichtabhilfeentscheidung vom 31.10.2011 (As. 10) der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung vom 08.11.2011 (As. 23) wurde der Betroffene darauf hingewiesen, dass seine Beschwerde wegen der fehlenden Unterschrift unzulässig sein dürfte. Eine Stellungnahme des Betroffenen erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 18.11.2011 teilte die Antragstellerin mit, dass der Betroffene am 18.11.2011 aufgrund Asylbegehren und der Ablehnung der Rückübernahme durch Italien aus der Haft entlassen worden sei.
Auf den weiteren Akteninhalt wird verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betroffenen ist unzulässig, da sie nicht unterschrieben ist.
Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG wird die Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Unterschrift des Erklärenden oder seines Bevollmächtigten ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG für die Beschwerde generell erforderlich, d.h. unabhängig davon, ob sie durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt wird (ebenso wie hier LG Essen NJW-RR 2010, 1234, 1235).
Zwar wird in der Literatur einhellig die Ansicht vertreten, es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels zur Niederschrift der Geschäftsstelle gegenüber dem bisherigen Rechtszustand verschärfen wollte. Die Authentizität werde durch die Protokollierung gewährleistet (vgl. etwa Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 25 Rn. 20 anders noch die Vorauflage, § 64 Rn. 16; Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 64 FamFG Rn. 6; jeweils m.w.N.). Diese Erwägung soll auch gelten für die Einlegung eines Rechtsmittels zur Niederschrift des Richters (Keidel/Sternal, a.a.O., Rn. 18).
Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der objektive Wille des Gesetzgebers eine Auslegung der Vorschrift gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut gebieten würde. Eine teleologische Reduktion vermag auch inhaltlich nicht zu überzeugen.
Zwar hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 64 Abs. 2 S. 4 FamFG ausgeführt, das Unterschriftserfordernis entspreche dem Standard der anderen Verfahrensordnungen; seine Einführung diene der Harmonisierung der Verfahrensordnungen (BT-Drucks. 16/6308, S. 206). Diese Erwägung gilt aber nur für die schriftliche Einlegung. Die Abgabe von Erklärungen gegenüber der Geschäftsstelle hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht vollständig harmonisiert, obwohl Ziel der Reform war, im Interesse der Übersichtlichkeit und der Rechtssicherheit alle nicht gebotenen Abweichungen gegenüber anderen Verfahrensordnungen zu vermeiden (a.a.O. S. 164). Vielmehr wurde durch die Verwendung des Begriffs "zur Niederschrift der Geschäftsstelle" die Besonderheit des Verfahrens der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gegenüber den anderen Verfahrensordnungen betont, in denen Erklärungen "zu Protokoll der Geschäftsstelle" abgegeben werden können. Die entsprechende Vorschrift des § 25 Abs. 1 FamFG soll zwar an den bisherigen § 11 FGG anknüpfen (a.a.O. S. 186). Auch dort war jedoch noch von einer Einlegung "zu Protokoll der Geschäftsstelle" die Rede. Wenn hier nicht angenommen wird, dass dieser Begrifflichkeit keinerlei Bedeutung zukommen soll (wofür § 24 Abs. 2 Nr. 3 RPflG und § 81 VwGO sprechen könnten), scheint mit der neuen Formulierung eher eine Anlehnung an die Niederschrift im Rahmen der Beurkundung gem. §...