Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.02.2012; Aktenzeichen 8 IN 239/11) |
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde der Insolvenzschuldnerin wird der Insolvenzeröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Freiburg - Insolvenzgericht - vom 16.02.2012 - 8 IN 239/11 - aufgehoben.
2.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin an das Amtsgericht Freiburg - Insolvenzgericht - zurückgegeben, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt.
Gründe
Die gemäß §§ 4, 6, 34 Abs. 2 InsO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig (§§ 567 ff ZPO). Sie erweist sich auch in der Sache als - zumindest vorläufig - begründet, weil die Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens gemäß § 17 Abs. 1 InsO im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt worden waren.
1. Allerdings hatte die antragstellende Gläubigerin zur Zeit ihrer Antragstellung im Juni 2011 eine Forderung und den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht. Dies stellt auch die Insolvenzschuldnerin nicht in Frage. Die Forderung ist durch Zahlung erloschen. Nachdem bereits zuvor im August 2009, ebenfalls unstreitig, ein Antrag der Gläubigerin eingegangen war, der sich durch Zahlung der damaligen Forderung erledigt hatte, findet auf den vorliegenden Antrag bereits § 14 Abs. 1 S. 2 InsO auch grundsätzlich Anwendung (§ 103e EGInsO; a.A. Amtsgericht Leipzig ZInsO 2011, 1802). Deshalb wird der Antrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.
Schließlich stellt sich im vorliegenden Fall auch nicht die Problematik, ob ein Antragsteller nach Erfüllung seiner. Forderung und Aufrechterhaltung seines Insolvenzantrags (auch) weiterhin das Vorliegen eines Insolvenzgrundes glaubhaft zu machen hat (dies wohl zutreffend bejahend und mit umfangreichen Nachweisen: LG Berlin, Beschluss v. 10.01.2012, 86 T 386/11). Aus dem Sachverständigengutachten vom 08.12.2011 ergibt sich nämlich der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit, weshalb dieser ab diesem Zeitpunkt keiner weiteren Glaubhaftmachung bedurfte.
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch deshalb begründet, weil es an ausreichenden Feststellungen zum Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin an der "Aufrechterhaltung" ihres Insolvenzantrags fehlt.
Nach der Gesetzesbegründung soll § 14 Abs. 1 S. 2 InsO dem Fiskus oder den Sozialversicherungsträgern eine Möglichkeit eröffnen, das Entstehen neuer Verbindlichkeiten zu verhindern (BT-Drucksache 17/3030 Seite 42 rechte Spalte). In der Gesetzesbegründung wird insoweit weiter ausgeführt:
"Allerdings sind in diesem Fall besonders strenge Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse und die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes zu stellen. Zahlt ein Schuldner die dem Antrag zugrunde liegende Forderung einschließlich der Zinsen und Kosten, um die Eröffnung des Verfahrens abzuwenden, so entfällt grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers. Da damit eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verfahrenseröffnung nicht mehr gegeben ist, müsste der Eröffnungsantrag, ah sich vom Insolvenzgericht als unzulässig zurückgewiesen werden. Eine andere Wertung kann jedoch beim Fiskus oder bei den Sozialversicherungsträgern gerechtfertigt sein. Bei ihnen besteht aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht die Möglichkeit, die Verbindung zum Schuldnereinseitig zu beenden. Sie haben deshalb ein gravierendes Interesse daran, ein insolventes Unternehmen an einer weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit zu hindern und Klarheit über seine Zahlungsfähigkeit zu erlangen. Nur durch das Aufrechterhalten des Insolvenzantrags können sie verhindern, dass weitere Forderungen entstehen."
Vorausgesetzt wird vom Gesetzgeber daher für die Annahme eines Rechtsschutzinteressen des Sozialversicherungsträgers, dass weitere Forderungen gegenüber Sozialversicherungsträgern entstehen könnten (von der Insolvenzschuldnerin als "Wiederholungsgefahr" bezeichnet). Die Insolvenzschuldnerin hatte vorliegend jedoch noch vor dem Eröffnungsbeschluss mit Schriftsatz vom 13.02.2012 eine Gewerbeabmeldung vorgelegt und im Weiteren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weitere Forderungen von Sozialversicherungsträgern nicht mehr entstehen könnten, weil sie ihre gewerbliche Tätigkeit eingestellt hat. Auf den der Gesetzesänderung zugrundeliegenden Zweck, Sozialversicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen in die Lage zu versetzen, "ein insolventes Unternehmen an einer weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit zu hindern", könnte sich die Antragstellerin damit nicht mehr berufen. Diese hatte zudem ausdrücklich um einen rechtlichen Hinweis gebeten, falls dennoch das Verfahren eröffnet werden sollte. Hierauf und auf die vorgelegte Gewerbeabmeldung wird im Eröffnungsbeschluss nicht näher eingegangen.
Nach der vorgelegten Gewerbeabmeldung spricht jedoch zumindest ein erster Anschein dagegen,...