Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung auf Räumung der Ehewohnung: Mitbesitz der Ehefrau an der vom Ehemann gemieteten Wohnung trotz Zwischenaufenthalts in einem Frauenhaus. Einstweilige Verfügung auf Räumung der Ehewohnung: Räumungsanspruch gegen eine "Untermieterin" des Ehemannes

 

Orientierungssatz

1. An der ehelichen Wohnung hat der Ehegatte, der weder Eigentümer noch Mieter der Räume ist, Mitbesitz. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Krankenhaus-/Kuraufenthalt, Reise, auswärtige Berufsausübung etc.) wird der Mitbesitz nicht aufgegeben.

2. Auch bei einer Quartiernahme der Ehefrau in einem Frauenhaus hat diese nicht die Absicht, die (vom Ehemann allein gemietete) Wohnung zu verlassen, sondern einen Rückkehrwillen.

3. Ist dem Ehemann gem. § 1 GewSchG das Verlassen der Wohnung geboten und deren Betreten untersagt worden, wird die Ehefrau aber bei ihrer Rückkehr in die Wohnung mit einer "Untermieterin" und einem entsprechenden "Untermietvertrag" konfrontiert, stellt sich die "Untervermietung" eines Teils der Ehewohnung durch den allein mietenden Ehemann als verbotene Eigenmacht dar.

4. Erklärt die "Untermieterin", in der Wohnung bleiben zu wollen, geht auch von ihr verbotene Eigenmacht aus, so dass ein auf Räumung der Wohnung zielendes Verlangen nach § 862 BGB begründet ist.

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg - 4 C 4539/04 aufgehoben.

Durch einstweilige Verfügung wird angeordnet, dass die Beklagte die Wohnung S-Str. in 79104 Freiburg zu räumen und zusammen mit den ihr überlassenen Schlüsseln an die Klägerin herauszugeben hat.

Die nach dem Gegenstandswert von 2.000,00 € zu berechnenden Kosten des Verfahrens fallen der Beklagten zur Last.

 

Gründe

Bei der zu räumenden Wohnung handelt es sich um die eheliche Wohnung der Klägerin, die ihr durch Beschluss des Amtsgerichts Freiburg (46 F 395/04) vom 09.11.2004 gem. § 1361 b BGB zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurde, nachdem dem Ehemann gem. § 1 GewSchG das Verlassen der Wohnung geboten und deren Betreten untersagt worden war. Alleiniger Mieter der Wohnung ist der Ehemann der Klägerin, der diese mitsamt ihren drei Kindern nach der Eheschließung (15.07.04) in die Wohnung aufgenommen hat.

Zeitweilig - vom 02.10. bis zur Übergabe der Wohnung an sie am 11.11.04 - weilte die Klägerin mit ihren Kindern im Frauenhaus. Als sie in die Wohnung zurückkehrte, befand sich die Beklagte in der Wohnung und erklärte, dort verbleiben zu wollen. Die Klägerin wurde zudem mit einem Untermietvertrag konfrontiert, der ihren Ehemann und die Beklagte als Parteien eines auf den 15.10.04 datierten Untermietvertrages über zwei Zimmer im 1. OG der Wohnung sowie die Gemeinschaftsräume (Küche, Bad, WC, Flur) auswies. Der seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.11.04 schriftlich erteilten Auforderung zum endgültigen Verlassen der Wohnung kam die Beklagte nicht nach.

Mit dem fristwahrend angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und ausgeführt, dass die

Ausübung verbotener Eigenmacht durch die Beklagte nicht ausreichend dargelegt sei.

Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

Der eingangs dargestellte Sachverhalt ist durch Vorlage der erwähnten Beschlüsse des Amtsgerichts, des Untermietvertrags, des Schreibens vom 11.11.2004 und eine Erklärung der Klägerin, deren Richtigkeit ans Eides Statt versichert wurde, glaubhaft gemacht. Letztere belegt, dass die Beklagte den Willen der Klägerin, aus dem Frauenhaus in die eheliche Wohnung zurückzukehren, kannte. Denn eine von der Klägerin am 09.11.04 empfangene SMS lautete: “Hi Beatrix, na wie geht’s? Falls nicht weißt, wer ich bin, ich bin Deine neue Mitbewohnerin„. Außerdem hatte die Klägerin den größten Teil ihrer persönlichen Gegenstände in der Wohnung zurückgelassen.

Das auf Räumung zielende Verlangen der Klägerin ist nach § 862 BGB begründet.

An der ehelichen Wohnung hat der Ehegatte, der weder Eigentümer noch Mieter der Räume ist, Mitbesitz (BGHZ 12, 380, 399; Palandt-Brudermüller, 63. Aufl., Rn 6 zu § 1353 BGB). Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Krankenhaus-/Kuraufenthalt, Reise, auswärtige Berufsausübung etc) wird der Mitbesitz nicht aufgegeben. Bei der Quartiernahme im Frauenhaus hatte die Klägerin ebenfalls nicht die Absicht, die Wohnung endgültig zu verlassen sondern eindeutig Rückkehrwillen, was schon die alsbaldige Antragstellung beim Familiengericht dokumentiert. Mit dem Weggang aus der Wohnung war also keine Aufgabe des Mitbesitzes verbunden; dieser bestand während ihrer Abwesenheit fort.

Die derzeit gegebene Situation, dass die Klägerin die Wohnung, insbesondere die Gemeinschaftsräume mit der Beklagten teilen muss, ist als Störung ihres Mitbesitzes zu bewerten. Der Mitbesitz war von vorneherein auf die eheliche Gemeinschaft in der Wohnung ausgerichtet. In der ehelichen Wohnung müssen Ehegatten aber den unerwünschten Aufenthalt einer ihnen fremden Person nicht hinnehmen. Wird diese Situ...

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