Verfahrensgang

AG Jena (Urteil vom 14.03.2003; Aktenzeichen 22 C 1182/02)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.03.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Jena, Aktenzeichen: 22 C 1182/02, wird zurückgewiesen.

2. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Juli 2003 eingeräumt.

3. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Klägerin hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheit oder Hinterlegung in Höhe von 600,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte zu 1. hatte am 15.01.1974 mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin einen Mietvertrag abgeschlossen über die Wohnung …-Str. in …, 4. Obergeschoss, rechter Aufgang, rechts. Das Mietverhältnis begann bereits am 20.06.1973. Die Beklagte zu 2. ist die Ehefrau des Beklagten zu 1. und war unstreitig gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 ZGB/DDR ebenfalls Mietvertragspartei der streitgegenständlichen Mietwohnung geworden.

Die Wohnung im Stadtteil Jena-Lobeda-Mitte befindet sich in einem 11-geschossigen Wohngebäude des Typs P 2 mit 4 Eingängen und insgesamt 176 Wohneinheiten. Dieser Stadtteil ist geprägt durch einen verdichteten Geschosswohnungsbau in Plattenbauweise. Mit Beschluss des Stadtrates vom 20.02.2002 hatte die Stadt Jena ein Stadtentwicklungskonzept beschlossen. Darin wurde festgestellt, dass in den Jahren von 1995 bis 2000 die Einwohnerzahl in Lobeda-Mitte um 4.037 auf 6.592 Einwohner sank. Nach den Untersuchungen der Stadt Jena wird die demographische Entwicklung bis zum Jahr 2010 alleine in Jena-Lobeda einen Wohnungs-Leerstand von 3.700 bis 4.000 Wohneinheiten zur Folge haben. Das Gebiet Jena-Lobeda-Mitte wird dabei als die ungünstigste Wohnlage eingeschätzt. Nach den Ermittlungen der Stadt Jena liegt dies insbesondere daran, daß der Bautyp P 2 als 9- bzw-11-Geschosser und die ungünstigen Wohnungszuschnitte nicht mehr den Anforderungen des Wohnungsmarktes in Jena entsprechen. In Plattenbauten wie dem hier streitgegenständlichen hat die Klägerin bereits einen erheblichen Leerstand bezüglich Wohnungen vergleichbaren Zuschnitts zu verzeichnen, sogar hinsichtlich sanierter Wohnungen. Gemäß den Ermittlungen der Stadt Jena kann die Leerstandsproblematik nur durch großflächigen Abriss von Plattenbauten gelöst werden. Der Rahmenplan des Stadtentwicklungskonzeptes sieht in einer ersten Phase den Abriss von 25 elfgeschossigen Wohngebäuden bis zum 31.12.2004 vor. Bezüglich des Mietobjektes …-Str. … liegt der Klägerin ein Fördermittelbescheid für den Abriss in Höhe von 270.882,44 EUR vor.

Die Beklagten, die bereits seit DDR-Zeiten berufsbedingt auch eine Wohnung in Berlin unterhalten, sind die einzigen verbliebenen Mieter in dem streitgegenständlichen Wohnblock. Sie zahlen eine Netto-Miete von 172,82 EUR und eine Nebenkostenvorauszahlung von 137,11 EUR.

Mit anderen Mietern, die noch nicht ausgezogen waren, hatte die Klägerin einvernehmliche Lösungen gefunden, wie z.B. Beschaffung von Ersatzwohnungen oder Übernahme von Umzugskosten. Seit August 2001 hatte die Klägerin auch den Beklagten zahlreiche Vergleichswohnungen angeboten, u.a. ein Reihenhaus in Jena-Ost sowie diverse Wohnungen in Plattenbauten in unmittelbarer Nähe ihrer derzeitigen Wohnung und in einem Altbau in Jena-Nord. Diese Angebote, auch unter Übernahme von Umzugskosten und einer Abstandszahlung von 20.000,00 EUR wurden von den Beklagten abgelehnt.

Mit Schreiben vom 28.03.2002 kündigte die Klägerin den Beklagten das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2002. Gleichzeitig bot sie letztmalig eine Ersatzwohnung an.

Die Klägerin hat behauptet, neben dem öffentlichen Interesse an der Durchführung des Rahmenplanes und dem Abriss des Gebäudes entstünden ihr durch den Weiterbestand des Mietobjektes …-Str. … jährliche Unterhaltungskosten in Höhe von 77.172,62 EUR. Sie hat die Auffassung vertreten, es handele sich nicht um eine Verwertungskündigung im Sinne des § 573 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 232 § 2 Abs. 2 EGBGB.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagten werden verurteilt, die in …-Str. im 4. Obergeschoss, rechter Aufgang, rechts gelegene 3-Raum-Wohnung (3 Zimmer, Küche, Bad mit Toilette, Flur, Balkon) nebst Nebengelass (Kellerraum) zum 31.12.2002 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten haben beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin habe die Notlage selber geschaffen und alle anderen Mieter aus den Wohnungen gedrängt, weshalb eine Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Sie sind der Auffassung, die Kündigung verstoße gegen § 573 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 232 § 2 Abs. 2 EGBGB. Gerade das Gebäude …-Str. … sei besonders erhaltenswert und insbesondere sanierungsfähig. Unter Bezugnahme auf einen Zeitungsartikel des Berliner Wochenblattes behaupten sie, die kl...

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