Verfahrensgang
AG Nidda (Urteil vom 17.02.1994; Aktenzeichen 1 C 208/93) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 17.2.1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts Nidda wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
Die Kläger nehmen den Beklagten, ihren Grundstücksnachbarn, auf Beseitigung einer Stützmauer und auf Mitwirkung bei der Errichtung einer ortsüblichen Einfriedung in Anspruch. Das Grundstück des Beklagten, das im Jahre 1992 mit einem Wohnhaus bebaut wurde, fällt aufgrund der Hanglage zum Grundstück der Kläger hin ab. Im Zuge seiner Baumaßnahmen errichtete der Beklagte eine Mauer entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Diese Mauer befindet sich in geringem Abstand zur Grenze ganz auf dem Grundstück des Beklagten. Sie hat eine Länge von 25 Metern und ist – nachdem sie der Beklagte zwischenzeitlich ein Stück weit wieder abtragen ließ – zwischen 0,70 m und 1,10 m hoch. Den hinter der Mauer gelegenen Teil seines Grundstücks verfüllte der Beklagte bis zur Oberkante mit Erdreich. Die Kläger beanstanden die Mauer als nicht ortsüblich und nicht den Vorschriften des Bebauungsplanes über Einfriedungen entsprechend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Das Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Die Kläger haben einen Beseitigungsanspruch gegen den Beklagten. Dies ergibt sich allerdings nicht aus dem Gesichtspunkt der Errichtung einer nicht ortsüblichen Einfriedung. Ein Beseitigungsanspruch des Nachbarn (entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) kommt zwar in Betracht, wenn ein Grundstückseigentümer entgegen dem Einfriedungsverlangen des Nachbarn gem. § 14 Abs. 1 Hess NRG auf seinem Grundstück eine Einfriedung schafft, deren Beschaffenheit den gesetzlichen Anforderungen (§ 15 Hess NRG) nicht genügt und einer gemeinsam zu errichtenden und zu benutzenden (§ 921 BGB) ordnungsgemäßen Einfriedung im Wege steht (vgl. BGH, NJW 1992, 2569 m.w.N.; Hodes, Hessisches Nachbarrecht, 4. Aufl., § 15 Rz. 1). Die Kläger haben aber schon nicht dargetan, daß sie vor der Errichtung der Mauer überhaupt ein bestimmtes Einfriedungsverlangen an den Beklagten gerichtet hätten. Abgesehen davon handelt es sich bei der Stützmauer des Beklagten nicht um eine Einfriedung. Dazu zählen nur solche Anlagen, die an oder auf der Grundstücksgrenze stehen und die Aufgabe haben, die Grenze zu sichern und das Grundstück vor unbefugtem Betreten durch Mensch und Tier zu schützen (Hodes, § 14 Rz. 1). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Vielmehr dient die Mauer des Beklagten der Anhebung des Geländeniveaus auf dessen Grundstück. Eine Bewertung der Mauer als (unzulässige) Einfriedung geht an dieser offen zu Tage liegenden Funktion vorbei, die vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung auch bestätigt wurde.
Auch auf §§ 823 Abs. 2, 249 S. 1 i.V.m. einer privatrechtlichen Schutznorm können die Kläger ihr Beseitigungsverlangen nicht stützen. Die vom Beklagten vorgenommene Erdaufschüttung ist nicht als „Anlage” i. S. von § 907 Abs. 1 S. 1 BGB zu bewerten. Darunter versteht das Gesetz nur solche Werke, von denen aus dem Nachbargrundstück sinnlich wahrnehmbare Stoffe unmittelbar zugeführt werden, nicht aber Bodenerhöhungen (BGH, NJW 1974, 53 [54]; NJW 1976, 1840 [1841]; NJW 1980, 2580 [2581]). § 909 BGB untersagt lediglich bestimmte Vertiefungen auf dem Grundstück. Auf Erhöhungen ist die Bestimmung nicht (entsprechend) anwendbar (BGB, a.a.O.). Angesichts der vom Beklagten gezogenen Stützmauer droht dem Grundstück der Kläger auch nicht die Gefahr der Beschädigung durch Ablösung von Teilen der Aufschüttung (§ 908 BGB; vgl. BGH, NJW 1976, 1840 [1841]). Daß die von dem Beklagten vorgenommene Bodenerhöhung ein Ansteigen oder Absinken des Grundwasserspiegels bewirkt hätte, das die Gefahr erheblicher Beeinträchtigungen auf dem Grundstück der Kläger hervorgerufen hat (§ 20 Hess NRG), ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Allerdings kommen als Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB auch Bebauungsvorschriften in Betracht, soweit sie nachbarschützende Wirkung haben (Palandt – Thomas, BGB, 52. Aufl., § 823 Rz. 145), was bei den bauordnungsrechtlichen Vorschriften über Abstandsflächen und Abstände der Fall ist. Auf die vom Amtsgericht herangezogene Bestimmung des § 8 Abs. 12 Nr. 2 HBO a.F. (= § 6 Abs. 11 Nr. 2 HBO n.F.) können sich die Kläger allerdings nicht berufen. Aus der dort normierten Zulässigkeit von Stützmauern zur Sicherung des natürlichen Geländes bis zu 1,50 m Höhe unmittelbar an der Nachbargrenze kann nicht im Umkehrschluß abgeleitet werden, daß Stützmauern zur Absicherung von Aufschüttungen an der Grenze keinesfalls zulässig sind. Vielmehr sind solche Mauern, wie mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung erörtert, nach § 6 Abs. 9 HBO n.F. (= § 8 Abs. 10 HBO a.F.) zu bewerten. Sie unterliegen der Abstandspflicht, soweit sie Anlagen darstellen, „von denen Wirkungen wie von Gebäude...