Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Versagung einer Restschuldbefreiung wegen mangelhafter Angaben eines Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zur Krediterlangung
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 I Nr. 1 InsO ist die Verurteilung des Schuldners wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283 – 283 c StGB.
2. Die Versagung der Restschuldbefreiung wegen des Vortrags eines Gläubigers, der Schuldner übe keine angemessene Tätigkeit aus, kommt in dem Verfahrensstadium, das die Prüfung des Befreiungsantrags zum Gegenstand hat, nicht in Betracht. Die Pflicht, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, trifft den Schuldner nach § 295 I Nr. 1 InsO erst in der Wohlverhaltensperiode, das heißt, nachdem ihm die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist.
3. Nach § 290 I Nr. 2 InsO ist dem Schuldner auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung nur dann zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten. Dabei ist ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Schuldners vom Gläubiger darzulegen.
4. Beim Abschluss eines Vergleichs handelt es sich nicht um schriftliche Angaben im Sinne des § 290 I Nr. 2 InsO, auch wenn der Schuldner in diesem Vergleich eine Ratenzahlungsverpflichtung eingeht, die er später nicht erfüllt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Schuldner mit der Festlegung von Ratenzahlungsterminen bestätigt, die Raten zu diesen Terminen zahlen zu wollen und zu können, steht diese Erklärung einer solchen im Sinne des § 290 I Nr. 2 InsO nicht gleich, da ein Schuldner insoweit keine konkreten Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, wie zum Beispiel über sein Einkommen oder seine sonstigen Verbindlichkeiten gemacht hat. Die Entstehungsgeschichte des § 290 I InsO sowie Sinn und Zweck dieser Norm verbieten eine zu weit gehende Interpretation von schriftlichen Erklärungen eines Schuldners. Der Gesetzgeber hat die Rechtsfolge „Versagung der Restschuldbefreiung” ausdrücklich deshalb von unrichtigen schriftlichen Angaben abhängig gemacht, um Beweisschwierigkeiten vorzubeugen. Der Zweck, Rechtssicherheit zu schaffen, schließt es deshalb aus, schriftliche Erklärungen eines Schuldners über ihren Wortlaut und eindeutigen Inhalt hinausgehende Bedeutungen beizumessen und auf dieser Grundlage im Rahmen des § 290I Nr. 2 InsO zum Nachteil des Schuldners zu berücksichtigen.
5. Demgemäß reicht auch allgemein eine Zusage eines Schuldners, Zahlungen zu einem bestimmten Zeitpunkt erbringen zu wollen, nicht aus, um den Tatbestand des § 290 I Nr. 2 InsO zu erfüllen.
Normenkette
InsO §§ 131, 290 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 295 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Der Schuldnerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Repkewitz, 65474 Bischofsheim zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.
2. Der angefochtene Beschluss wird geändert:
Der Antrag der Gläubigerin M. sowie der Antrag des Gläubigers B. der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Gläubiger je zur Hälfte.
Beschwerdewert: bis zu 1.500,00 Euro.
Gründe
Am 16.07.2007 beantragte ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Zu dieser Zeit war die Schuldnerin als Ergotherapeutin mit eigener Praxis selbständig. Mit Beschluss vom 23.11.2007 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Rechtsanwalt xxx in Göttingen zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin hat die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt.
Mit Beschluss vom 06.07.2009 hat das Amtsgericht das schriftliche Verfahren angeordnet und bestimmt, dass Einwendungen gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung bis zum 06.10.2009 schriftlich vorgebracht werden können.
Mit Schreiben vom 03.10.2009 hat die Gläubigerin zu 2 xxx beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Hierzu hat sie ausgeführt, die Schuldnerin habe anlässlich des Verhandlungstermins vom 14.03.2007 vor dem Arbeitsgericht Kassel unrichtige Angaben über ihre wirtschaftliche Situation gemacht, um so eine weitere Kreditierung in Bezug auf die rückständigen Lohnansprüche der Gläubigerin zu erreichen. Die Schuldnerin habe einen Vergleich geschlossen, in dem sie sich verpflichtet habe, 10.466,43 Euro in drei Raten bis zum 20.06.2007 zu erfüllen. Auf die Frage ihres eigenen Prozessbevollmächtigten, ob sie zu diesen Zahlungen in der Lage sei, habe sie ausdrücklich mit „ja” geantwortet. Hierdurch habe sich die Gläubigerin veranlasst gesehen, dem Vergleich zuzustimmen und der Schuldnerin die im Vergleich vorgese...