Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Erlaß eines Strafbefehls durch den Strafrichter bei abweichender rechtlicher Würdigung der angeklagten Tat als Verbrechen
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg vom 10.09.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 04.09.2003 (Az. 139a – 436/03) wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg vom 10.09.2003 ist als sofortige Beschwerde entsprechend § 408 Abs. 2 Satz 2 StPO in Verbindung mit den §§ 210 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO zulässig. Der Staatsanwaltschaft, deren Beschwerde gegen den ihr bereits am 08.09.2003 zugegangenen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 04.09.2003 erst am 22.09.2003 bei dem Landgericht eingegangen ist, war insoweit gemäß den §§ 44 Satz 1, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da aus dem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 04.09.2003 nicht ersichtlich war, dass dieser auf einer analogen Anwendung des § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO beruhte und gegen ihn mithin die sofortige Beschwerde analog den §§ 408 Abs. 2 Satz 2, 210 Abs. 2 StPO statthaft war, und er auch eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung, wie sie in einem Fall wie dem vorliegenden aufgrund der unklaren Rechtslage gegebenenfalls auch gegenüber der Staatsanwaltschaft angebracht gewesen wäre, nicht enthielt (vgl. §§ 44 Satz 2, 35a Satz 1 StPO).
In der Sache hat die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 04.09.2003 indes keinen Erfolg.
Zum einen hat das Amtsgericht Hamburg die durch den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls gemäß § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO angeklagte Tat im prozessualen Sinne nach Aktenlage zutreffend als möglicherweise den Raubtatbestand im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB erfüllend eingestuft (hierzu unter I.). Zum anderen hat das Amtsgericht Hamburg auf der Grundlage dieser rechtlichen Bewertung der angeklagten Tat im prozessualen Sinne durch die Ablehnung des Antrages der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehles auch die prozessual richtige Entscheidung getroffen (hierzu unter II.).
I.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die angeklagte Tat rechtlich möglicherweise auch als Raub im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB, also als Verbrechen, eingestuft werden könnte.
Nach der Aussage der geschädigten Zeugin M.… hatte diese im “Hamburger Abendblatt” vom 17.12.2002 eine Anzeige gesehen, durch welche ein Puppenhaus der Marke “Playmobil” zum Preis von EURO 120,- angeboten worden sei. Unter der in der Anzeige angegebenen Rufnummer habe die Geschädigte sodann Kontakt zu der Angeschuldigten aufgenommen und mit ihr die Einzelheiten des Erwerbs des bezeichneten Puppenhauses zu dem in der Anzeige angegebenen Preis vereinbart. Entweder noch am selben Tag – dem 17.12.2002 – oder am 04.01.2003, dem Tattag, habe die Geschädigte sodann die EURO 120,- bezahlt, worüber ihr die Angeschuldigte eine Quittung ausgestellt habe, und das Puppenhaus von der Angeschuldigten ausgehändigt bekommen. Hinsichtlich des konkreten Übergabetages widersprechen sich die Angaben der Geschädigten, wie sie in der Strafanzeige vom 04.01.2003 von dem PB K.… wiedergegeben worden sind, sowie ihre Angaben in der Beschuldigtenvernehmung (die Angeschuldigte hatte Gegenanzeige erstattet) vom 10.01.2003. Jedenfalls aber sei den angeklagten Tätlichkeiten die Zahlung des Kaufpreises durch die Geschädigte sowie – daraufhin – die Übergabe des Puppenhauses durch die Angeschuldigte an die Geschädigte vorausgegangen. Nachdem die Geschädigte daraufhin verschiedene Mängel an dem Puppenhaus geltend gemacht habe, habe die Angeschuldigte der Geschädigten unter Anwendung massiver körperlicher Gewalt das Puppenhaus wieder entrissen und in ihren Keller verbracht. Zudem habe die Angeschuldigte versucht, der Geschädigten deren Quittung über die Zahlung des Kaufpreises für das Puppenhaus zu entreißen.
Die rechtliche Qualifizierung dieses Lebenssachverhaltes als Raub im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB erscheint alles andere als fernliegend. Unterstellt man die Angaben der Geschädigten im Ermittlungsverfahren als wahr, so hätte die Angeschuldigte der Geschädigten mit Gewalt eine bewegliche Sache, die letzterer spätestens unmittelbar vor der Tat übereignet worden und damit jedenfalls zum Tatzeitpunkt für die Angeschuldigte “fremd” im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB gewesen wäre, weggenommen. Der Übergabe des Puppenhauses an die Geschädigte wäre in diesem Falle nämlich eine Einigung zwischen der Geschädigten und der Angeschuldigten über den Übergang des Eigentums an dem Puppenhaus von der Angeschuldigten auf die Geschädigte vorausgegangen und auch die Übergabe selbst wäre sodann von diesem Übereignungswillen getragen gewesen, so dass die Angeschuldigte der Geschädigten das Puppenhaus zeitlich vor Beginn der angeklagten Tätlichkeiten im Sinne von § 929 Satz 1 BGB übereignet hätte. Auch die von der Staatsanwaltschaft in ihrer...