Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentum: Keine Einstellung der Zwangsversteigerung gegen Wohnungseigentümer trotz lebensbedrohlicher Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
Eine Einstellung der Zwangsversteigerung scheidet selbst bei einer Gefahr der Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen Erkrankung des zahlungssäumigen Wohnungseigentümers (Schuldners) aus, wenn dieser nicht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an der Befriedigung der Wohngeldforderungen mitwirkt.
Orientierungssatz
Zitierung: Vergleiche BVerfG, 2. Mai 1994, 1 BvR 549/94, NJW 1994, 1719.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 25. und 27. September 2001 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 10. September 2001 - 323 K 35/98 - wird zurückgewiesen.
Die Hilfsanträge vom 10. Dezember 2001 werden zurückgewiesen.
Der Schuldner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 100.000,- EURO zu tragen.
Gründe
Die gemäß § 793 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht den auf § 765 a ZPO gestützten Antrag des Schuldners zurückgewiesen und gemäß § 31 ZVG die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens angeordnet.
§ 765a ZPO erlaubt eine Verfahrenseinstellung bzw. Untersagung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme nur dann, wenn die Zwangsvollstreckung wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen trotz der Erkrankung des Schuldners nicht vor.
Die Kammer hat bereits in ihrem im Zwangsverwaltungsverfahren ergangenen Beschluß vom 13. Februar 2001 (328 T 63/00) vorsorglich darauf hingewiesen, daß eine Verfahrenseinstellung gemäß § 765 a ZPO trotz der Erkrankung des Schuldners nicht in Betracht komme, falls der Schuldner weiterhin die Wohngelder nicht zahle. Es ist der Wohnungseigentümergemeinschaft nämlich nicht zuzumuten, auf Dauer hinzunehmen, daß der Schuldner die Wohnung zwar uneingeschränkt nutzt, aber andererseits die Wohnkosten nicht zahlt, die damit auf die Gemeinschaft umgelegt werden müssen. Einer Einstellung der Vollstreckung würde insofern ein überwiegendes Interesse der Gläubigerin zu 2. (WEG Palmaille 33-35) an der Zwangsvollstreckung, hinter der - bei der nach § 765 a ZPO vorzunehmenden Abwägung - auch die Gefahr der Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen Erkrankung zurücktreten muß, entgegenstehen. Zweck der Schuldnervorschrift des § 765 a ZPO ist nur, aus sozialen Gründen bei besonderen Härtefällen den Schuldner vor Eingriffen zu schützen, die dem allgemeinen Rechtsgefühl widersprechen und unangemessen sind (BVerfG, NJW 1979, 2607). Ein besonderer Härtefall liegt aber dann nicht vor, wenn der Schuldner nicht bereit ist, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an der Befriedigung der Gläubiger mitzuwirken. So kann es nicht hingenommen werden, wenn der Schuldner als Hilfe zum Lebensunterhalt vom Sozialamt die ihm entstehenden Wohnkosten erstattet bekommt, dieses Geld aber für andere Zwecke verbraucht und nicht an die Wohnungseigentümergemeinschaft abführt.
Die Gläubigerin zu 2. hat unwidersprochen vorgetragen, daß der Schuldner seine in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2000 gegebene Zusage, ab November 2000 pünktlich die laufenden Wohngelder (monatlich 705,- DM) zu zahlen, nicht eingehalten hat. Demnach erfolgte keine Zahlung, so daß sich der Wohngeldrückstand inzwischen auf rund 28.000,- DM (Stand November 2001) beläuft. Dem kann der Schuldner nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß es seinen Gläubigern "nur um das Geld" gehe und dieses Interesse in jedem Falle vor seinem Interesse am Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zurücktreten müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auch in Fällen, in denen sich Erhaltung von Leben und Gesundheit dienende Interessen einerseits und Gläubigerbelange andererseits gegenüberstehen, erst im Wege einer Abwägung festzustellen, welchem Interesse im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 765 a ZPO der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BVerfG, NJW 1994, 1719; 1998, 295). Diese Abwägung muß vorliegend, da der Schuldner trotz entgegenstehender Zusage im Termin vom 20. Oktober 2000 keinerlei Bereitschaft gezeigt hat, an der Befriedigung seiner Gläubiger mitzuwirken, zugunsten seiner Gläubiger ausfallen.
In einem vergleichbar gelagerten Fall, in dem ein Schuldner ebenfalls eine repräsentative Wohnung bewohnte und der Gläubigerin keinerlei Nutzungsentschädigung zahlte, hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ausgeführt, daß im Rahmen der Prüfung der widerstreitenden Interessen die Möglichkeit geklärt werden müsse, ob der Schuldner nicht bereit sei, wenigstens für eine Übergangszeit eine angemessene Nutzungsentschädigung zu zahlen (BVerfG, NJW 1994, 1719, 1720). Damit hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, daß dem Standpunkt des Schuldners, daß finanzielle Interessen in jedem Falle zurückzutreten hätten, nicht gefolgt werden kann. Vielmehr muß auch vom Schuldner ein gewisses Maß an Berei...