Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Fahrerlaubnis nach Verkehrsunfallflucht: Wertgrenze für das Vorliegen eines "bedeutenden Schadens"
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Entscheidung vom 16.01.2006; Aktenzeichen 10 Gs 21/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 16.01.2006 - 10 Gs 21/06 - aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss entzog das Amtsgericht dem Beschuldigten gem. § 111a StPO vorläufig die Fahrerlaubnis. Es ging davon aus, dass der Beschuldigte eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort dringend verdächtig sei, wobei ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorliege, da der Beschuldigte bei dem Unfall einen "nicht unerheblichen" Fremdschaden (das Gesetz spricht von einem bedeutenden Schaden) verursacht habe. Tatsächlich betrugen die Reparaturkosten an dem beschädigten Fahrzeug 1186,34 EUR.
Die zulässige Beschwerde des Beschuldigten hat Erfolg.
Zwar teilt die Kammer ohne weiteres die Einschätzung des Amtsgerichts hinsichtlich des dringenden Tatverdachts. Zwar hat der Beschuldigte behauptet, den Anstoß an das andere Fahrzeug nicht bemerkt zu haben. Diese Behauptung ist jedoch angesichts der Art des Verkehrsvorganges und des verursachten konkreten Schadens und nicht zuletzt der Angaben des Zeugen, der von einem "ziemlich lauten" Unfallgeräusch sprach, unglaubhaft.
Allerdings ist der verursachte Schaden unter der Grenze des bedeutenden Schadens angesiedelt. Zwar hat auch die Kammer in älteren Entscheidungen (zuletzt in einer Entscheidung vom 09.07.2002 - 2 Qs 48/02) die Auffassung vertreten, dass bei einem Sachschaden von über 1000 EUR ein solcher bedeutender Schaden anzunehmen sei. Die Kammer schließt sich jedoch der mittlerweile geänderten h. M. an, wonach ein bedeutender Schaden erst bei Überschreitung einer Wertgrenze von 1300 EUR anzunehmen ist (vgl. zum Streitstand Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., Rdnr. 29 zu § 69a). Angesichts der in den letzten Jahren schnell angestiegenen Reparaturkosten sieht auch die Kammer die früher angesetzte Wertgrenze als zu niedrig an.
Dass hier neben den reinen Reparaturkosten ein nennenswerter merkantiler Minderwert anzusetzen sein könnte, liegt angesichts der verwendeten Reparaturmethode fern. Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Entziehung der Fahrerlaubnis im weiteren Verfahren erwarten lassen würden: Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft und auch in verkehrsrechtlicher Hinsicht nicht vorbelastet. Er musste angesichts des Schadensbildes und der Art der Schadensentstehung beim Ausparken auch nicht davon ausgehen, dass ein weitergehender Sachschaden entstanden wäre als der durch die Reparaturrechnung belegte.
Auf die Beschwerde war daher der angefochtene Beschluss mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO analog aufzuheben. Der Führerschein ist an den Beschuldigten herauszugeben.
Fundstellen