Leitsatz (amtlich)

Zahlt der Steuerschuldner die hinterzogene Steuer innerhalb der von der Finanzverwaltung festgesetzten Frist, hat er die Steuer auch dann gemäß § 371 Abs. 3 AO "entrichtet", wenn er zugleich Einspruch gegen den Festseetzungsbescheid einlegt, darin aber nicht den Steueranspruch dem Grunde nach bestreitet, sondern lediglich dessen Durchsetzbarkeit im Hinblick auf § 169 Abs,. 2 S. 2 AO mit der Begründung in Abrede stellt, bei Tatbegehung krankheitsbedingt schuldunfähig gewesen zu sein.

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Entscheidung vom 09.10.2012)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 09.10.2012 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.

 

Gründe

Das Amtsgericht erließ gegen den Angeklagten am 08.05.2012 einen Strafbefehl, in dem ihm zur Last gelegt wurde, im Jahr 2004 erzielte Zinseinkünfte in seiner Einkommensteuererklärung verschwiegen und daher Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von 13.043,61 € hinterzogen zu haben. Nachdem das Amtsgericht eine am 11.09.2012 stattgefundene Hauptverhandlung ausgesetzt hatte, stellte es durch den angefochten Beschluss das Verfahren wegen eines - seiner Auffassung nach vorliegenden - Verfahrenshindernisses ein.

I.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die zulässig, im Ergebnis aber unbegründet ist.

Denn das vom Amtsgericht angenommene Verfahrenshindernis liegt - aufgrund einer besonderen Fallgestaltung - vor, weil dem Angeklagten der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 und 3 AO zugutekommt. Im Einzelnen liegt dem folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Mit Schreiben seines Steuerberaters vom 08.02.2010 wies der Angeklagte das für ihn zuständige Finanzamt Heidelberg darauf hin, in den Jahren 2003 bis 2008 Zinseinkünfte verschwiegen zu haben, die er mit weiterem Schreiben vom 17.02.2010 detailliert belegte. Dem Finanzamt war dieser Sachverhalt bis dahin nicht bekannt. Durch Bescheide vom 01.03.2010 wurde die für die Jahre 2003 bis 2008 zu zahlende Einkommensteuer festgesetzt, für das Jahr 2004 (vgl. AS 271 ff.) Einkommensteuer in Höhe von 11.488,- €, Kirchensteuer in Höhe von 859,68 € und der Solidaritätszuschlag in Höhe von 695,53 €. Der Angeklagte wurde zugleich aufgefordert, den Betrag bis zum 06.04.2010 zu zahlen. Dem kam er am 01.04.2010 nach und zahlte die rückständigen Steuern ebenso in vollem Umfang wie zusätzlich festgesetzte Zinsen auf die Einkommensteuer in Höhe von 2.690,- € (vgl. AS 279).

Am 05.03.2010 legte der Angeklagte gegen den Einkommensteuerbescheid für die Jahre 2003, 2004 sowie 2006 bis 2008 Einspruch ein, den er im Einzelnen begründete. Soweit sich der Einspruch gegen die Festsetzung für die Jahre 2003 und 2006 bis 2008 richtet, wird von der Darstellung der Einwände abgesehen, da dies ohne Bedeutung ist für das vorliegende Verfahren, das lediglich die Einkommensteuer für das Jahr 2004 betrifft. Gegen die Neufestsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2004 berief sich der Angeklagte auf eine - seiner Auffassung nach - eingetretene Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die in § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist sei in seinem Fall nicht anzuwenden. Zwar habe er tatsächlich die Zinseinkünfte verschwiegen und daher den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht; allerdings leide er seit vielen Jahren an einer psychiatrischen Erkrankung, derentwegen er zur Tatzeit schuldunfähig gewesen sei. Zum Beleg der Krankheit legte er ein ärztliches Attest des ihn behandelnden Psychiaters vor.

Das Amtsgericht vertritt in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, mit der Selbstanzeige und der anschließenden Zahlung der festgesetzten Einkommensteuer habe der Angeklagte die hinterzogene Steuer im Sinne von § 371 Abs. 3 AO "entrichtet" und damit die Voraussetzungen für den Strafaufhebungsgrund erfüllt. Demgegenüber ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, nur in einer vorbehaltlosen Zahlung der Steuer könne ein "Entrichten" im Sinne von § 371 Abs. 3 AO erblickt werden. Eine solche vorbehaltlose Zahlung liege hier nicht vor, weil der Angeklagte gegen den Steuerbescheid Einspruch eingelegt und daher den Steueranspruch der Finanzverwaltung für das Jahr 2004 gerade nicht anerkannt habe.

II.

Der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist der Erfolg zu versagen, wenngleich die Kammer im Ansatz die Auffassung der Beschwerdeführerin teilt. Der Strafaufhebungsgrund des § 371 AO kann nach dessen eindeutigem Wortlaut nur dem Steuerpflichtigen zugutekommen, der den steuerrelevanten Sachverhalt der Finanzbehörde mitteilt, bevor dieser bekannt wurde, und sodann binnen einer bestimmten angemessenen Frist die Steuer entrichtet, wenn - wie hier - eine Steuerverkürzung bereits eingetreten ist. Zutreffend weist das Amtsgericht zwar darauf hin, das Gesetz regele den Begrif...

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