Leitsatz (amtlich)
Auch wenn eine Dokumentation der die Dringlichkeit begründenden Tatsachen sich nicht bei den Akten befindet, ist wegen evidenter Dringlichkeit von der Berechtigung von Polizeibeamten zur Anordnung einer Blutentnahme auszugehen, wenn im Hinblick auf eine mögliche Medikamentenbeeinflussung beim Betroffenen ein unklares Ermittlungsbild gegeben und ein das Untersuchungsergebnis in kurzer Zeit gefährdender Abbau bei schweren Ausfallerscheinungen des Betroffenen als eher unwahrscheinlich anzusehen ist.
Verfahrensgang
AG Itzehoe (Entscheidung vom 22.02.2008; Aktenzeichen 64 Gs 397/08) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschuldigten als unbegründet verworfen.
Gründe
Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Amtsgericht hat zu Recht dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Nach § 111a StPO kann die Fahrerlaubnis auf Antrag der Staatsanwaltschaft vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Es besteht der dringende Tatverdacht, dass der Beschuldigte am 23.12.2007 gegen 16:11 Uhr mit dem PKW Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen ... unter anderem die ... In T.... befuhr, obwohl er infolge einer Beeinflussung durch eine toxische Konzentration des Medikaments Zopiclon nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Nach den bisherigen Feststellungen kam der Beschuldigte infolge seiner durch die Beeinflussung durch das Medikament bedingten Fahrunsicherheit nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte dort gegen die Schrankenanlage eines Bahnübergangs.
Damit ist er zumindest einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 1 und 2 StGB dringend verdächtig.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den Feststellungen der Polizei am Unfallort, den Äußerungen des Beschuldigten gegenüber der Polizei und der Untersuchung der dem Beschuldigten am 23.12.2007 um 17:40 Uhr entnommenen Blutproben, bei der eine Konzentration des Schlaf- und Beruhigungsmittels Zopiclon von 926 ng/ml festgestellt wurde.
Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung steht der Verwertung des Ergebnisses der Blutuntersuchung nicht entgegen, dass die Entnahme der Blutprobe von einem Polizeibeamten und nicht - wie grundsätzlich von § 81a Abs. 2 StPO gefordert - von einem Richter angeordnet worden ist. Ob im vorliegenden Fall ausnahmsweise wegen einer Gefährdung des Untersuchungszwecks durch Verzögerung eine richterliche Anordnung der Entnahme der Blutprobe entbehrlich und der Polizeibeamte als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft zur Anordnung befugt war, mag zwar als fraglich erscheinen (siehe nachstehend (1)), die Frage kann jedoch hier im Ergebnis dahin stehen, da der vorliegende Verstoß nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls kein Verwertungsverbot begründet (siehe nachstehend (2)).
(1)
Nach § 81a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Der Richtervorbehalt - auch der einfachgesetzliche - zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz (BVerfG NJW 2007, 1345 m.w.N.; OLG Hamburg Beschluss vom 04.02.2008 Az. 2-81/07 (REV), zitiert nach [...]). Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehenden Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (BverfG a.a.O., m.w.N.; OLG Hamburg a.a.O.). Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (BVerfG a.a.O.). Das Vorliegen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (BVerfG a.a.O.).
Eine Dokumentation der die Dringlichkeit begründenden Tatsachen befindet sich im vorliegenden Fall nicht bei den Akten. Ob dennoch wegen evidenter Dringlichkeit von der Berechtigung des Polizeibeamten zur Anordnung der Blutentnahme ausgegangen werden kann, erscheint fraglich, wenn auch andererseits in der hier gegebenen Konstellation einiges dafür spricht.
Zum Teil wird vertreten, bei dem Verdacht einer Trunkenheitsfahrt sei regelmäßig der Untersuchungserfolg durch Einschaltung eines Richters (oder auch Staatsanwalts) gefährdet, da jede zeitliche Verzögerung wegen des Abbaus des Blutalkohols zu größeren Ungenauigkeiten bei der Feststellung des Blutalkohols im Tatzeitpunkt führe (so LG Hamburg Beschluss vom 12.11.2007 603 Qs 470/07, zitiert nach [...]). Dies erscheint zweifelhaft, da gerade bei aufgrund von Ausfallerscheinungen ode...