Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtspfleger ist bei der Kostenfestsetzung an die Kostengrundentscheidung des Richters (hier: Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft statt zugunsten der übrigen Wohnungseigentümer) gebunden.
2. Es kommt nicht alleine darauf an, ob eine Vertretungsanzeige für die „Wohnungseigentümergemeinschaft” zur Akte gegeben wurde oder nicht. Bei Fällen der unklaren Parteibezeichnung sind alle Prozessvorgänge einschließlich widersprüchlicher Hinweise und Rubrumsgestaltung seitens des Gerichts zu würdigen.
Verfahrensgang
AG Mannheim (Beschluss vom 09.08.2022; Aktenzeichen 5 C 4168/21 WEG) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 09.08.2022, Az. 5 C 4168/21 WEG, aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten an den Rechtspfleger des Amtsgerichts Mannheim zurückverwiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.587,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
1.
Der Rechtsbehelf ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 RPflG statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 569 ZPO. Insbesondere wurde der Mindestbeschwerdewert von 200,– Euro aus § 567 Abs. 2 ZPO erreicht.
2.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Festsetzungsantrag der Rechtsanwälte der Beklagtenseite vom 28.06.2022 zurückgewiesen. Es wäre zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft festzusetzen gewesen.
a.
Im Ausgangspunkt ist allerdings zutreffend, dass der Rechtspfleger bei der Kostenfestsetzung an die Kostengrundentscheidung des Richters (hier: Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft) gebunden ist, mag sie inhaltlich auch falsch gewesen sein (Zöller/Herget ZPO 34. Auflage 2012 § 104 Rn. 21 Stichwort: Bindung). Der Rechtspfleger hat die Kostenentscheidung nicht auszulegen oder zu interpretieren, sondern zu vollziehen, indem er betragsmäßig umsetzt, was der Richter in der bindenden Kostengrundentscheidung festgelegt hat (OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 14 W 371/08 – ZIP 2009, 783).
Die richterlichen Verfügungen und Hinweise wichen im Laufe des Prozesses deutlich voneinander ab. Zunächst war die Klagepartei darauf hingewiesen worden, dass eindeutig die übrigen Wohnungseigentümer verklagt worden seien, dass der Klägervertreter schlichtweg das neue WEG-Recht mit Geltung zum 01.12.2020 übersehen und damit die Klage gegen die falschen Beklagten gerichtet habe und von einem Schreibversehen nicht ohne weiteres ausgegangen werden könne (vgl. VFG T.(13.01.) 30.11.2021 auf Seite 104 [AZ: 5 C 4168/21 WEG]).
Unter Zugrundelegung der Klageschrift hätte das Passivrubrum so lauten müssen, dass sich die Zivilklage richtet gegen:
„die übrigen Wohnungseigentümer des Anwesens C.straße 222, M.-Stadt” (Formulierung der Klageschrift)
oder besser:
„die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft C.straße 222, M.-Stadt” (Standardformulierung nach altem Recht).
Vor dem Hintergrund dieser Hinweise wurde die Klage zurückgenommen. Nichtsdestotrotz erging sodann eine Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zugunsten der „Wohnungseigentümergemeinschaft” und nicht zugunsten der „übrigen Wohnungseigentümer”.
Ein entsprechender Berichtigungsantrag der Beklagtenseite vom 07.07.2022 (AS I 187) war allerdings mit richterlichem Beschluss vom 13.07.2022 (AS I 189) zurückgewiesen worden. Darin heißt es – im Gegensatz zum oben zitierten, vor dem Richterwechsel ergangenen Hinweis –: „Soweit die Klage gegen „die übrigen Wohnungseigentümer des Anwesens „C.straße 222, M.-Stadt […]” gerichtet war, war das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen. Die Auslegung der fehlerhaften Bezeichnung ergibt eindeutig, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft C.straße 222, M.-Stadt verklagt werden sollte.” (vgl. BES 13.07.2022 auf Seite 190 [AZ: 5 C 4168/21 WEG]).
Dieser Beschluss vom 13.07.2022 berücksichtigt auch nicht die nur wenige Tage zuvor ergangene Entscheidung des BGH (Urteil vom 08.07.2022 – V ZR 202/21). Danach gilt: Wird eine Beschlussklage, auf die neues Recht anwendbar ist, nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben, muss ein gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite vorgenommen werden; andernfalls ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Raum für großzügige Auslegungen, wie im richterlichen Beschluss des Amtsgerichts vorgenommen, bleibt danach gerade nicht. Vor der BGH-Entscheidung war die Frage, wie mit neuen Anfechtungsklagen gegen die übrigen Eigentümer umzugehen ist, heftig umstritten (vgl. etwa LG Frankfurt/Main, IMR 2022, 296; LG Itzehoe, IMR 2022, 380; LG München I, IMR 2022, 421).
Im konkreten Fall gab es also eigentlich keinen gewillkürten Parteiwechsel. Die offensichtlich schon mit der Erfassung des...