Leitsatz (amtlich)
1. Es handelt sich auch dann um eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn ein unter diese Vorschrift fallendes Recht von einem Rechtsnachfolger geltend gemacht wird (hier: durch den Hausratversicherer nach Legalzession gemäß § 86 VVG).
2. Der verschuldensunabhängige, nachbarrechtliche Anspruch § 906 II 2 BGB analog kommt auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander in Betracht.
Tenor
1. Das Landgericht Karlsruhe erklärt sich für sachlich unzuständig.
2. Der Rechtsstreit wird auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Karlsruhe (WEG-Abteilungen) verwiesen.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Hausratversicherer. Der Beklagte bewohnt als Wohnungseigentümer die im 4. OG gelegene Wohnung des Hauses K. in K. In der darunter liegenden Wohnung im 3. OG des Hauses wohnen ebenfalls als Wohnungseigentümer die Versicherungsnehmerin des Klägers, Frau W., und ihr mitversicherter Ehemann Herr W.
Der vorliegende Prozess steht im Gefolge eines Wasseraustritts im Jahre 2017 in der Wohnung des Beklagten, welcher womöglich Schäden am Hausrat der Versicherungsnehmerin der Klägerin hinterlassen hat. Wie es genau zum Schadensfall kam, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Ursache des Wasseraustrittes die Geschirrspülmaschine des Beklagten war. Innerhalb eines kurzen Zeitraumes seien dort zwei Mal erhebliche Mengen Wasser ausgetreten, was zu Nässeschäden in der Wohnung und an einem erheblichen Teil des Hausrates geführt haben soll. Zurückzuführen sei dies auf eine sorgfaltslosen Betrieb der Spülmaschine seitens des Beklagten. Der Kläger habe bis heute seiner Versicherungsnehmerin eine Versicherungsleistung in Höhe von 6.500,00 EUR ausgezahlt. Die Regulierung sei aber noch nicht abgeschlossen, daher müsse sichergestellt werden, dass die Beklagte für weitere Schäden aufkomme. Die Beklagte meint, der Schaden sei nicht durch einen Wasseraustritt an der Geschirrspülmaschine bzw. einen Defekt der Spülmaschine verursacht, sondern durch einen Haarriss in der Wasserzuleitung, die in der Wand verlief.
Der Kläger stellt hilfsweise Verweisungsantrag, wozu der Beklagte angehört wurde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung beruht auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht ist sachlich unzuständig. Auf Antrag des Klägers hat sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen.
Die sachliche Zuständigkeit für die WEG-Streitigkeiten i.S.v. § 43 Abs. 2 WEG bestimmt § 23 Nr. 2 Buchstabe c) GVG. Danach umfasst die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes Streitigkeiten nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 WEG. Diese Zuständigkeit ist ausschließlich. Die Wohnungseigentümer können die Zuständigkeit des Landgerichts also weder vereinbaren noch durch rügelose Verhandlung begründen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 43 Rn. 14).
Es handelt sich auch dann um eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn ein unter diese Vorschrift fallendes Recht von einem Rechtsnachfolger geltend gemacht wird (BGH NJW-RR 2014, 710 Rn. 6; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021 Rn. 53, WEG § 43 Rn. 53); hier geht es um die Sonderrechtsnachfolge kraft Legalzession nach § 86 VVG.
Nach Sinn und Zweck sollen zwar grundsätzlich Rechtsstreitigkeiten von Wohnungseigentümern untereinander wegen der Beschädigung von Allein- oder Sondereigentum nicht unter § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG fallen (ohne Stellungnahme: BGH NJW-RR 2016, 587 Rn. 5; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 43 Rn. 56), es sei denn die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind betroffen (BGH NJW-RR 2016, 587 Rn. 5, beck-online).
Eine solche Betroffenheit der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer ist hier anzunehmen. Geltend gemacht sind hier nämlich neben deliktischen Ansprüche (insbes. aus § 823 I BGB), die aber – was naheliegen dürfte – mangels Verschulden zu verneinen sein könnten, insbesondere verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen aus nachbarrechtlichen Vorschriften des BGB, also insbes. ein Anspruch aus § 906 II 2 BGB analog.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGHZ 157, 188 = NJW 2004, 775 = NZM 2004, 193) ist ein – verschuldensunabhängiger – nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung, Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten. Der davon betroffene Eigentümer ist dabei aber aus besonderen Gründen gehindert, diese Einwirkungen nach § 1004 I BGB rechtzeitig zu unterbinden.
Es handelt sich vorliegend zwar nicht um Grundstückeigentümer, die Fälle sind – im Gegensatz zu Mietern (vgl. BGHZ 157, 188 = NJW 2004, 775) – strukturell jedoch gleich gelagert. Zwischen Wohnungseigentümern besteht – wie §§ 14 Nr. 1, 15 III WEG zeigen – ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dem das Gebot der...