Leitsatz (amtlich)
Auch in verwalterlosen Zweiergemeinschaften kann der einzelne Eigentümer den Anspruch für den Verband auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums nach Inkrafttreten des WEMoG nicht direkt geltend machen. Revision zum BGH wurde zugelassen und eingelegt (Az. V ZR 6/23).
Verfahrensgang
AG Pforzheim (Urteil vom 26.10.2021; Aktenzeichen 12 C 1055/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 26.10.2021, Az. 12 C 1055/21, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig zurückgewiesen wird.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil im Umfang der Berufungszurückweisung sind vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger und die Beklagten sind die einzigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft M.straße 99 in X.
Den Klägern haben das Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nr. 2 bezeichneten Wohnung in Verbindung mit 40/100 Miteigentumsanteilen an dem gemeinschaftlichen Eigentum. Den Beklagten ist das Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Wohn- und Gewerberäumen in Verbindung mit 60/100 Miteigentumsanteilen an dem gemeinschaftlichen Eigentum zugewiesen. Ein Verwalter ist für die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht bestellt.
Die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 25.07.1991 lautet auszugsweise wie folgt:
§ 2
Die Eigentümer teilen das Eigentum an dem vorbezeichneten Grundstück, auf dem ein Wohnhaus errichtet ist, das erweitert wird, gemäß § 8 WEG in Wohnung- und Teileigentum in der Weise auf, daß mit jedem Miteigentumsanteil Sondereigentum an einer in sich abgeschlossenen Wohnung (Wohnungseigentum) und an in sich abgeschlossenen sonstigen Räumen (Teileigentum) verbunden ist, wie folgt:
1. Miteigentumsanteil von 60/100 an Flst. Nr. 32/1 verbunden mit Sondereigentum an den mit Nr. 1 bezeichneten Wohn- und Gewerberäumen, bestehend aus folgenden Räumen im Erdgeschoß: Küche, Ladenstube, Laden, Ladenkühlraum, Flur, Büro, Wasch- und Bügelraum, Lagerraum, Kühlraum, Kuttelraum, Schlachthaus, Wurstküche, WC und Dusche; sowie aus folgenden Räumen im Obergeschoß: 4 Zimmer, Diele, Bad, dazu gehört der mit Nr. 1 bezeichnete Dachraum im Dachgeschoß sowie die drei mit Nr. 1 bezeichneten Keller und der mit Nr. 1 bezeichnete Heizungsraum im Kellergeschoß.
2. Miteigentumsanteil 40/100 an Flst. Nr. 32/1 verbunden mit Sondereigentum an den mit Nr. 2 bezeichneten Wohnräumen, bestehend aus folgenden Räumen im Obergeschoss: Küche, Abstellraum, Bad mit WC, Kinderzimmer, Schlafzimmer, Wohn- und Esszimmer, Küche, Diele und WC; sowie aus folgenden Räumen im Dachgeschoss: 2 Zimmer, Speicher, Dusche mit WC und Flur, dazu gehören im Kellergeschoss ein Kellerraum, ein Kühlraum und ein Heizungsraum.
[…]
Die Wohnungen und die nicht zu Wohnzwecken dienenden Raumeinheiten sind in sich abgeschlossen im Sinne des § 3 Abs. 3 WEG und im Aufteilungsplan vorschriftsmäßig bezeichnet. (…)
§ 3
[…]
a) Wohnungseigentum und Teileigentum Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
Teileigentum ist das Sondereigentum an den Räumen, die nicht zu Wohnzwecken bestimmt sind. Im folgenden ist „Teileigentum” im Begriff „Wohnungseigentum” enthalten.
Die Gewerberäume im Erdgeschoss der Einheit Nr. 1 wurden früher als Metzgerei mit Schlachthaus genutzt und stehen seit einigen Jahren leer. Die Beklagten beabsichtigen, die Räume – nach Umbau – einer Wohnnutzung zuzuführen.
Die Kläger sind der Ansicht, die von den Beklagten beabsichtigte Nutzungsänderung sei unzulässig. Ausweislich der Teilungserklärung handele es sich bei den Räumen im Erdgeschoss um Teileigentum bzw. Gewerberäume. Es liege eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im weiteren und auch im engeren Sinne vor, die einer Wohnnutzung entgegenstehe. Zudem sei die beabsichtigte Wohnnutzung bei typisierender Betrachtungsweise auch störender, insbesondere da die Anlage um weitere Wohneinheiten vergrößert werde.
Die Kläger seien auch prozessführungsbefugt. Ihr Anspruch ergebe sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, da mit der beabsichtigten Nutzung nicht nur Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums, sondern naturgemäß auch verschiedenste Beeinträchtigungen des Sondereigentums der Kläger einhergingen, die bei einer zweckbestimmungsgemäßen Nutzung nicht vorhanden seien. Dies seien unter ande...