Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarfskündigung eines betagten Vermieters wegen Aufnahme einer Pflegeperson
Orientierungssatz
1. Wenn ein betagter Vermieter die Wohnung eines Mieters für eine in sein Haus aufzunehmende Person beansprucht und aufgrund äußerer Umstände mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden kann, daß er deren Dienste in naher Zukunft (Pflege und Wartung) benötigt, so ist ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses auch dann anzuerkennen, wenn die Person, deren Dienste in Anspruch genommen werden sollen, im Zeitpunkt der Vornahme der Kündigung noch nicht feststeht (vergleiche OLG Hamm, 1986-07-24, 4 RE-Miet 1/86, ZMR 1986, 398).
2. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der 84-jährige Vermieter krankheitsbedingt in seinem Leistungsvermögen gemindert ist und aus diesem Grunde eine Pflegeperson in sein Haus aufnehmen will.
3. Eine in dieser Weise begründete Eigenbedarfskündigung ist auch dann wirksam, wenn der Vermieter die herausverlangte Wohnung selbst beziehen will, um die bisher von ihm bewohnte Wohnung der noch einzustellenden Pflegeperson zu überlassen.
4. Ein Schluß von einem niedrigen Einkommen allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen von BGB § 556a wird für unzulässig gehalten.
5. Der Mieter muß zumindest darlegen, daß er seiner Ersatzraumbeschaffungspflicht nachgekommen ist und konkrete Bemühungen um Ersatzraum erfolglos geblieben sind. Für den Umfang der erforderlichen Bemühungen kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, so daß etwa die Einschaltung eines Maklers nur von einem Mieter verlangt werden kann, der sich dies nach seinen finanziellen Möglichkeiten auch leisten kann.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 26.05.1989 -- 6 C 23/89 -- wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Beklagte ist nach §§ 985, 556 Abs. 1 BGB verpflichtet, die von ihr bewohnte Wohnung an die Klägerin herauszugeben. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 29.11.1988 wirksam beendet worden. Die Kündigung ist wegen Eigenbedarfs nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB gerechtfertigt.
a) Wenn ein betagter Vermieter die Wohnung eines Mieters für eine in sein Haus aufzunehmende Person beansprucht und aufgrund äußerer Umstände mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden kann, daß er deren Dienste in naher Zukunft (Pflege und Wartung) benötigt, so ist ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses auch dann anzuerkennen, wenn die Person, deren Dienste in Anspruch genommen werden sollen, im Zeitpunkt der Vornahme der Kündigung noch nicht feststeht (OLG Hamm, Rechtsentscheid vom 24.07.1986, ZMR 1986, 398).
Die Klägerin ist mittlerweile 84 Jahre alt und, wie sich aus dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest der Ärztin Dr. ... vom 15.11.1988 ergibt, krankheitsbedingt in ihrem körperlichen Leistungsvermögen gemindert. Nach den Angaben des Sohnes der Klägerin bei seiner Zeugenvernehmung und der Zeugin ... beabsichtigt die Klägerin auch, aus diesen Gründen eine Person ins Haus aufzunehmen, deren Dienste sie in Anspruch nehmen kann.
Soweit die Beklagte geltend macht, die neben der von ihr bewohnten Wohnung gelegene 2-Zimmer-Wohnung stehe leer, ist dies durch die Beweisaufnahme widerlegt. Der Sohn der Klägerin hat als Zeuge bekundet, daß die 2-Zimmer-Wohnung nicht leer steht, sondern ihm zur Verfügung steht und von ihm auch genutzt wird, wenn er sich auch im wesentlichen in der Wohnung der Klägerin aufhält.
b) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Eigenerlangungsinteresse der Klägerin sei jedenfalls nachträglich entfallen, weil die Klägerin es durch Inanspruchnahme der im Hinterhaus durch den Tod eines Mieters freigewordenen 2-Zimmer-Wohnung hätte befriedigen können. Die Klägerin hat vernünftige Gründe dargelegt, weshalb sie nicht auf die Wohnung im Hinterhaus zurückgegriffen hat. Einmal möchte sie sich die Möglichkeit freihalten, einer Pflegeperson eine 3-Zimmer-Wohnung anbieten zu können, zumal die in Aussicht genommene Dame, zu der über die Zeugin ... bereits Kontakt hergestellt wurde, bisher eine 3-Zimmer-Wohnung bewohnt. Ferner bot sich die Möglichkeit, durch eine Vermietung der komplett möblierten Wohnung im Hinterhaus an Übersiedler Schwierigkeiten auszuräumen, die dadurch entstehen konnten, daß die Erben des verstorbenen Mieters im Hinterhaus die Wohnung nicht räumen konnten.
c) Das Kündigungsbegehren der Klägerin scheitert auch nicht daran, daß sie, wie sich aus der Aussage ihres Sohnes ergibt, die bisher von der Beklagten bewohnte Wohnung selbst bewohnen möchte und die bisher von ihr bewohnte Wohnung einer Pflegeperson überlassen will, während die Darstellung im Kündigungsschreiben vom 29.11.1988 dahin geht, daß sie die Wohnung der Beklagten einer Pflegeperson zur Verfügung stel...