Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis einer Anfechtungsklage gegen einen undurchführbaren WEG-Beschluss (hier: „Personalisierter” Rechtsdurchsetzungbeschluss nach Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Dispositionsbefugnis des WEG-Verwalters bzw. des Prozessanwalts geht nicht so weit, dass er die Nicht-Ausführung bzw. die Abstandnahme vom Vollzug eines Beschlusses ohne Beteiligung der Eigentümerversammlung rechtsverbindlich erklären könnte.
2. Die „faktische Erledigung” oder die „Gegenstandslosigkeit” oder die „Undurchführbarkeit” sind keine erledigenden Ereignisse in der Beschlussanfechtungsklage.
3. Aufforderungs-, Vorbereitungs- und Rechtsdurchsetzungbeschlüsse sind weiterhin nur beschränkt rechtlich überprüfbar.
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 28.04.2022; Aktenzeichen 5 C 2037/21 WEG) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 28.04.2022, Az. 5 C 2037/21 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt nach §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.
1.
Die Klage ist (weiterhin) zulässig.
Insbesondere fehlt der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagtenvertreter hatte in der Berufungsverhandlung zwar erklärt: ”Aus dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.09.2021 unter TOP 17 sollen keine Rechte mehr hergeleitet werden, nachdem Rechtsanwalt R. aus der Kanzlei K. ausgeschieden ist und außerdem auch seine Anwaltstätigkeit aufgegeben hat per 31.08.2022.”
Damit sollte – was äußerst sinnvoll erschien – die „goldene Brücke” zu einer übereinstimmenden Erledigterklärung gebaut werden, allerdings kam eine solche Erledigterklärung für die Klägerseite nicht in Betracht.
Erledigung im Rechtssinne trat auch nicht ein. Es ist schon streitig, ob auch im Wohnungseigentumsrecht – wie im Aktienrecht – Vergleiche dahingehend möglich sind, einen Beschluss nicht auszuführen (vgl. Bärmann, WEG, 15. Aufl., 2023, vor § 43 Rn. 77 m.w.N.). Jedenfalls geht aber die Dispositionsbefugnis des Verwalters bzw. des Prozessanwalts nicht so weit, dass er die Nicht-Ausführung bzw. die Abstandnahme vom Vollzug eines Beschlusses ohne Beteiligung der Eigentümerversammlung rechtsverbindlich erklären könnte. Der Eigentümerversammlung bleibt es unbenommen, nicht-vollzogene Altbeschlüsse, an denen nicht mehr festgehalten werden soll, durch gesonderten Beschluss wieder aufzuheben, was aber konkret nicht geschah. Auch die (angesichts des Umstands, dass die Eigentümerversammlung nicht nur eine Kanzlei, sondern dort einen bestimmten, nunmehr aber ausgeschiedenen angestellten Anwalt mit der Rechtsdurchsetzung zu beauftragen beschlossen hatte) konkret denkbaren Kategorien der „faktische Erledigung” oder der „Gegenstandslosigkeit” oder der „Undurchführbarkeit” von Beschlüssen o.ä. gibt es als Rechtsfigur nicht. Allenfalls kann, wenn ein Festhalten an der beschlossenen Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unbillig erscheint, ein Anspruch auf Änderung eines Beschlusses analog § 10 Abs. 2 WEG n.F. bestehen, was aber nicht einredeweise geltendgemacht werden kann (vgl. Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 23 Rn. 219; Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 23 Rn. 361).
2.
Die Klage ist indes nicht begründet.
Die Beschlussfassung zu „TOP 17” (Ermächtigung zur Beauftragung eines Anwalts/Entfernung der Abweisbleche) der Eigentümerversammlung vom 23.09.2021 ist nicht für ungültig zu erklären.
Die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts sollen lediglich wie folgt ergänzt werden:
Im angegriffenen Beschluss wurde die Verwaltung zur Beauftragung einer Kanzlei unter Nennung eines dort tätigen Anwalts ermächtigt. Der Beschluss lautet: „Die Verwalterin wird ermächtigt, die Kanzlei K., Herrn Rechtsanwalt R. mit der Vertretung der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft … zu beauftragen. Herr R. soll den Auftrag erhalten außergerichtlich und ggf. gerichtlich gegen das Anbringen von Abweisblechen an der Balkondecke der Wohneinheit Nr. …, Eigentümer: Eheleute K., vorzugehen. Die Abweisbleche sollen entfernt werden.”
Auch wenn der letzte Satz des Beschlusses lautet: „Die Abweisbleche sollen entfernt werden”, handelt es sich bei diesem Beschluss insgesamt – wie die Auslegung ergibt – um einen (in der Praxis häufig vorkommenden) Aufforderungs-, Vorbereitungs- und Rechtsdurchsetzungbeschluss, der sich als rechtmäßig erweist.
Mit diesem wird insbesondere die Rückbauverpflichtung nicht konstitutiv begründet. Für eine konstitutive Begründung der Rückbauverpflichtung bestünde keine Beschlusskompetenz; eine konstitutive Begründung der Rückbauverpflichtung ist daher regelmäßig nicht Gegensta...