Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung eines mit einem VEB abgeschlossenen Nutzungsvertrages
Orientierungssatz
Ein zu DDR-Zeiten mit einem VEB abgeschlossener Vertrag, der die Vereinbarung über die Überlassung einer Bodenfläche zur Bebauung mit einer Garage enthält, ist auch dann ein Nutzungsvertrag iSd ZGB DDR §§ 312ff, wenn er als Pachtvertrag bezeichnet wird. Ein solcher Vertag konnte in der Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1994 gem EGBGB Art 232 §§ 4, 4a (juris: BGBEG) nur aus Gründen des BGB § 554 gekündigt werden. Gemäß Schuldrechtsanpassungsgesetz § 23 abs 1 (juris: SchuldRAnpG) ist auch weiterhin bis zum 31.12.1999 eine Kündigung des Nutzungsvertrages grundsätzlich nicht möglich.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 06. Juni 1995 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schönebeck wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des von dem Beklagten mit einer Garage bebauten Grundstücks in Calbe/Saale zu. Der Beklagte ist aufgrund des am 12.10.1984 mit dem VEB Gebäudewirtschaft/Saale abgeschlossenen Nutzungsvertrages zur Nutzung des Grundstücks berechtigt. Das Nutzungsrecht ist nicht durch die von dem Kläger ausgesprochenen Kündigungen beendet worden, denn diese Kündigungen sind unwirksam.
Die Kündigung des Klägers vom 26. Mai 1994 zum 31.12.1994 erfolgte unberechtigt. Die Rechtmäßigkeit dieser Kündigung bestimmt sich nach EGBGB 232 §§ 4, 4a, da es sich bei dem Vertrag vom 12.10.1984 um einen Nutzungsvertrag nach den §§ 312 ZGB/DDR handelt. Die Auffassung des Klägers, dieser Vertrag sei ein Pachtvertrag, auf den gem. EGBGB 232 § 3 seit dem 03.10.1990 die Vorschriften des BGB anzuwenden wären, ist nicht zutreffend. Entscheidend für die rechtliche Einordnung des Vertrages ist nicht seine Bezeichnung durch die Parteien, sondern sein Inhalt. In dem Vertrag verpflichtete sich ein VEB, dem Beklagten eine Bodenfläche zur Nutzung zu überlassen, damit dieser sie mit einer Garage bebauen kann. Dafür sollte der Beklagte Nutzungsentgelt zahlen. Diese vertraglichen Regelungen entsprachen dem Inhalt der §§ 312 ff. ZGB/DDR. Danach konnten land- und forstwirtschaftlich nicht genutzte Bodenflächen Bürgern zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung, Erholung und Freizeitgestaltung überlassen werden. Gemäß § 313 Abs. 2 ZGB/DDR konnte zwischen den Vertragspartnern vereinbart werden, daß der Nutzungsberechtigte auf der Bodenfläche eine Baulichkeit errichtet, die der Erholung, Freizeitgestaltung oder ähnlichen Bedürfnissen dient. Genau diese Vereinbarungen haben die damaligen Vertragspartner getroffen. Die Überlassung von Bodenflächen an Bürger zur Bebauung mit einer Garage war ein typischer Anwendungsfall der §§ 312 ff. ZGB/DDR.
Demgegenüber weist der Vertrag vom 12.10.1984 gerade nicht die Merkmale eines Pachtvertrages auf. Auch nach dem Zivilrecht der DDR war ein Vertrag dann als Pachtvertrag anzusehen, wenn die verpachtete Sache zur Gewinnung von Früchten überlassen wurde, d.h. wenn diese Sache als unmittelbare Quelle von Erträgen dienen sollte. Die Überlassung eines Grundstücks zum Zwecke der Bebauung mit einer Garage dient jedoch nicht der Gewinnerzielung. Als Pachtvertrag kann der Vertrag vom 12.10.1984 trotz der Bezeichnung als Pachtvertrag also nicht angesehen werden. Die Auffassung des Klägers, der Beklagte hätte mit dem VEB einen Vertrag eigener Art abgeschlossen, ist nicht zutreffend. Ein Vertrag eigener Art liegt nur dann vor, wenn dieser nicht einem gesetzlich normierten Vertragstyp zugeordnet werden kann. Wie bereits ausgeführt, entspricht der Vertrag vom 12.10.1984 jedoch einem in den §§ 312 ff. ZGB/DDR geregelten Nutzungsvertrag. Die Nutzungsverträge gem. dem § 312 ZGB/DDR konnten in der Zeit vom 01.01.1994 bis 31.12.1994 gem. EGBGB 232 §§ 4, 4a nur aus den Gründen des § 554 BGB gekündigt werden. Da sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mit 2 Pachtraten in Zahlungsverzug befunden hat, ist die Kündigung vom 26.05.1994 unwirksam. Der Beklagte hat das Nutzungsentgelt für 1992 und für 1993 gezahlt. Der Kläger kann sich auch nicht auf das im Nutzungsvertrag vereinbarte Kündigungsrecht berufen. Die Beendigung eines Nutzungsvertrages war in § 314 ZGB/DDR abschließend geregelt. Eine Kündigung des Überlassers ist nur möglich gewesen, wenn dafür gesellschaftlich gerechtfertigte Gründe vorgelegen haben. Hat der Nutzungsberechtigte aber in Ausübung des Nutzungsrechts auf der Bodenfläche ein Wochenendhaus oder eine Garage errichtet, so konnte das Nutzungsverhältnis gem. § 314 Abs 4 ZGB/DDR gegen seinen Willen nur durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden. Diese Vorschriften dienten dem Schutz des Nutzungsberechtigten. Sie sollten ihm die notwendige Sicherheit zur Gestaltung seiner Lebensverhältnisse, insbesondere im Zusammenhang mit einer vorgesehenen Bebauung gewährleisten. Deswegen...