Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Beschluss vom 29.10.1992)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Mannheim vom 29.10.1992 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf DM 2.575,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Nach dem vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleich vom 07.04.1992 sind die Schuldner verpflichtet, ihre Wohnung bis zum 30.09.1992 zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben.

Mit Schriftsatz vom 10.09.1992 haben die Schuldner beantragt, ihnen eine gerichtliche Räumungsfrist bis 28.02.1993 zu gewähren.

Das Amtsgericht hat dem Antrag durch Beschluß vom 29.10.1992 stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Gewährung einer gerichtlichen Räumungsfrist nach § 794 a Abs. 1 ZPO setzt grundsätzlich voraus, daß der Schuldner alles ihm Zumutbare zur Erlangung einer Ersatzwohnung unternommen hat. Zur Erfüllung dieser Obliegenheit muß ein Schuldner im allgemeinen aktiv werden, insbesondere muß er den in den Tageszeitungen veröffentlichten Wohnungsangeboten nachgehen und sich bei den betreffenden Vermietern um den Abschluß eines Mietvertrags bemühen. Die Einzelheiten dieser Ersatzraumsuche muß der Schuldner so substantiiert darlegen, daß der Gläubiger die Behauptungen des Schuldner nachprüfen kann. Dies setzt voraus, daß der Schuldner genaue Aufzeichnungen über die Art und den. Umfang der Ersatzraumsuche macht. Aus den Aufzeichnungen muß sich ergeben, welche konkreten Wohnungsangebote der Schuldner zur Kenntnis genommen hat, auf welche Weise er auf diese Angebote reagiert hat und warum die Anmietung gescheitert ist.

Die Darlegungen der Schuldner in dem Schriftsatz vom 10.09.1992 („auch studieren die Beklagten ständig die hiesigen Zeitungen … sowie eine Vermieteranzeige erscheint, rufen sie sofort an …”) genügt diesen Anforderungen nicht. Der Tatsachenvortrag der Schuldner ist so allgemein gehalten, daß er nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft werden kann. Insoweit ist der Gläubigerin zuzustimmen.

2. Das Amtsgericht hat ausgeführt, daß die Anforderungen an die Erfüllung der Ersatzraumbeschaffungspflicht in dem vorliegenden Fall nicht allzuhoch angesetzt werden dürfen. Diese Auffassung ist zutreffend. Es entspricht zwischenzeitlich gesicherter Erkenntnis, daß Familien mit Kindern und geringem Einkommen auf dem großstädtischen Wohnungsmarkt chancenlos sind, weil die wenigen zur Vermietung angebotenen preiswerten Wohnungen vorzugsweise an Kinderlose vergeben werden. Deshalb hat es wenig Sinn einem sozial schwachen Mieter mit Kindern umfangreiche Verpflichtungen zur Ersatzraumsuche aufzuerlegen. Auch in der neueren Rechtsprechung wird aus diesem Grunde zunehmen die Ansicht vertreten, daß einer sozial schwachen Familie auch dann eine Räumungsfrist gewährt werden kann, wenn sich der Räumungspflichtige – wie hier – auf die Kontaktaufnahme mit dem Wohnungsamt, auf einen Aushang mit einer Wohnungsnachfrage in einem Geschäft oder auf gelegentliche Telefonanrufe bei Vermietern beschränkt (LG Darmstadt MM 91, 131; AG Schöneberg MM 90, 131; AG Stuttgart WM 91, 103; AG Freiburg WM 91, 686; AG Hannover WM 91, 553; AG Charlottenburg MM 91, 194). Diese Rechtsprechung hält auch die Kammer für zutreffend.

Vorliegend steht fest, daß die Schuldner zwei kleine Kinder haben und auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Schuldner haben unwidersprochen vorgetragen, daß sie möglicherweise über das Wohnungsamt bei der GBG eine Wohnung erhalten; es ist deshalb davon auszugehen, daß die Schuldner alsbald ausziehen wollen und können.

3. Die Gläubigerin erleidet durch die Zubilligung der Räumungsfrist keine erheblichen Nachteile. Die Mieten werden vom Sozialamt bezahlt; daß die Zahlungen gelegentlich verspätet eingehen ist zwar ärgerlich, fällt aber im Hinblick auf die begrenzte Dauer der Räumungsfrist nicht allzusehr ins Gewicht. Gleiches gilt für die von der Gläubigerin behaupteten Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; der Beschwerdewert wurde gem. § 3 ZPO festgesetzt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1402412

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