Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertragsrecht: Kündigung gegenüber dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten nach Auszug des anderen Ehegatten
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Auszug eines mitmietenden Ehepartners aus der Mietwohnung rechtfertigt nicht die Annahme, daß der Mietvertrag allein mit dem verbleibenden Ehegatten fortgesetzt wird. Die Kündigung des Vermieters ist daher unwirksam, wenn sie nur an den Wohnungsinhaber gerichtet ist und diesem zugeht.
Gründe
Durch die Kündigungsschreiben v. 29.8.1991 und v. 31.3.1992 wurde das Mietverhältnis nicht beendet. An diesem Mietverhältnis war nicht nur die Beklagte, sondern auch deren Ehemann als Mieter beteiligt. Die beiden Kündigungsschreiben waren aber nur an die Beklagte gerichtet. Eine derartige Kündigung ist insgesamt unwirksam. Im einzelnen gilt folgendes:
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Ehemann der Beklagten im Jahre 1987 aus der streitbefangenen Wohnung ausgezogen ist und daß die Beklagte in der Folgezeit eine Beziehung zu einem anderen Mann aufgenommen hat, mit dem sie in der Wohnung zusammengelebt hat.
Das AG Schwetzingen hat hierzu ausgeführt, die Beteiligten hätten das Vertragsverhältnis nach dem Auszug des Ehemannes der Beklagten zumindest stillschweigend dahingehend umgestaltet, daß der Mietvertrag mit der Beklagten als alleiniger Mieterin fortgesetzt werden soll.
Aus der Sicht der Kammer liegen für diese Annahme allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte vor:
a. Es ist allgemein anerkannt, daß ein Dauerschuldverhältnis, das durch drei Personen begründet worden ist, nur dann geändert werden kann, wenn alle am Vertragsschluß Beteiligten hieran mitwirken. Eine ausdrückliche Änderungsvereinbarung durch dreiseitigen Vertrag haben die Beteiligten nicht getroffen.
Eine stillschweigende Änderungsvereinbarung kann nur dann angenommen werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß sich die Beteiligten über einen Wechsel auf der Mieterseite einig geworden sind. Der Umstand, daß der Ehemann der Beklagten nach seinem Auszug keinen Anspruch auf die Wohnung erhoben und daß die Beklagte die Miete bezahlt hat, reicht hierfür nicht aus. Es kommt in der Praxis häufig vor, daß sich getrenntlebende oder auch geschiedene Eheleute dahingehend einig werden, daß das Mietverhältnis über die bisherige Ehewohnung aufrechterhalten werden soll, damit einer der Eheleute weiterhin dort leben kann. Eine solche Regelung ist insbesondere dort naheliegend, wo - wie hier - Kinder vorhanden sind, die versorgt werden müssen. In Fällen dieser Art wird zwischen den Ehegatten typischerweise vereinbart, daß der in der Wohnung Verbleibende auch für den Mietzins aufkommen soll und daß er hierfür die Wohnung ausschließlich nutzen kann. Aus diesem Grunde ist es auch nicht sachgerecht, wenn aus diesem Umstand allein eine rechtliche Umgestaltung des Mietverhältnisses gefolgert wird.
b. Sonstige Anhaltspunkte für eine Umgestaltung des Mietvertrages vermag die Kammer nicht zu erkennen: Nach dem Vortrag der Klägerin war die damalige Vermieterin mit dem Auszug des Ehemannes der Beklagten zunächst nicht einverstanden; sie sei aber später nie mehr auf diesen Punkt zurückgekommen.
Hieraus kann kein Einverständnis mit der Umgestaltung des Mietvertrags gesehen werden; insbesondere ist nicht einsichtig, warum die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Ehemann der Beklagten aus dem Vertragsverhältnis entlassen sollte. Es sind vorliegend auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Ehemann der Beklagten jemals um seine Entlassung aus dem Mietvertrag gebeten hätte; die Klägerin hat dies jedenfalls nicht vorgetragen. Die im Schriftsatz v. 30.9.1992 enthaltene Behauptung, die Beklagte habe mit der Mutter der Klägerin "ausdrücklich vereinbart, daß das Mietverhältnis mit der Beklagten allein fortgesetzt würde", hat die Klägerin nicht aufrechterhalten.
2. Aus allem folgt, daß die beiden Kündigungen formunwirksam gewesen sind.
Die Kammer hat in Erwägung gezogen, ob die Berufung der Beklagten auf den Formmangel ausnahmsweise rechtsmißbräuchlich ist (§ 242 BGB). Ein solcher Fall könnte dann angenommen werden, wenn die Beklagte gegenüber der Klägerin erklärt hätte, es genüge, wenn die Kündigung ihr gegenüber ausgesprochen werde. Der Vortrag der Klägerin, wonach die Beklagte nach dem Auszug ihres Ehemannes der "alleinige Ansprechpartner" für die Kündigung gewesen sei, rechtfertigt diese Annahme allerdings für sich alleine nicht. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Klägerin von irrigen Voraussetzungen ausgegangen ist. Diesen Irrtum hätte die Klägerin ohne weiteres vermeiden können. Ihr war aufgrund des Mietvertrages bekannt, daß das Mietverhältnis mit der Beklagten und deren Ehemann geschlossen worden war; deshalb hätte sie auch beiden Mietern gegenüber kündigen können und müssen.
Fundstellen