Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht des Mieters
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist unwirksam, wenn sich der Mieter in einem entschuldbaren Irrtum über sein Recht zur Aufrechnung befunden hat und deshalb die Miete nicht gezahlt hat.
2. Eine Klausel im Mietvertrag, wonach ein Recht zur Aufrechnung, Zurückbehaltung oder Minderung des Mietzinses eingeschränkt wird, ist unwirksam.
3. Streitigkeiten über Bestand und Umfang von Schadenersatzansprüchen und über die Wirksamkeit von darauf basierenden Aufrechnungserklärungen können grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer Kündigung gemacht und im Wege des Räumungsrechtsstreits ausgetragen werden.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Das AG hat die Ansicht vertreten, daß die auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung v. 30.7.1985 unwirksam gewesen sei, weil sich die Beklagten in einem entschuldbaren Irrtum über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Forderung befunden haben. Diese Ansicht steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Kammer, wonach Streitigkeiten über Bestand und Umfang von Schadensersatzansprüchen und über die Wirksamkeit von darauf basierenden Aufrechnungserklärungen grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer Kündigung gemacht und im Wege des Räumungsrechtsstreits ausgetragen werden können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn für die von Mietern vertretene Rechtsauffassung hinreichende Sachgründe bestehen. Die Mieter müssen in der Lage sein, von ihren Rechten ohne Furcht vor dem Verlust ihrer Wohnung Gebrauch zu machen; der Vermieter wird hierdurch nicht über Gebühr benachteiligt, weil er seine Ansprüche durchwegs im Wege der Leistungsklage oder Unterlassungsklage geltend machen kann. Diese Grundsätze sind im Kern auch unbestritten (Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 5. Aufl., B 473 m. w. N.). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich folgendes:
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß am 1.12.1984 am Steigrohr der Fernwärme-Heizungsanlage eine Leckstelle entstand, aus der Wasser ausgetreten ist. Unstreitig ist auch, daß hierdurch Einrichtungsgegenstände der Beklagten beschädigt worden sind. Die Verpflichtung zum Schadensersatz hing bei dieser Sachlage entscheidend davon ab, ob die Kläger an der Entstehung des Schadens ein Verschulden trifft. Ein solches Verschulden wäre auch dann zu bejahen, wenn die Handwerker bei der Installation der Heizungsanlage vor 2 1/2 Jahren unsachgemäß gearbeitet hätten; denn für das Verschulden der Handwerker haben die Kläger gem. § 278 BGB einzustehen. Die Beklagten haben ein solches Verschulden behauptet; die Kläger haben es bestritten. Wenngleich dieser Punkt nicht aufgeklärt ist und möglicherweise auch nicht aufgeklärt werden kann, so bestand aus objektiver Sicht doch ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, daß eine Schadensersatzpflicht der Kläger besteht.
Die Aufrechnung scheiterte im vorliegenden Fall nicht an § 6 des Mietvertrages. In dieser Klausel ist folgendes geregelt:
"Der Mieter kann gegenüber dem Mietzins mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Minderungsrecht oder Zurückbehaltungsrecht nur ausüben, wenn er dies mindestens 1 Monat vor der Fälligkeit des Mietzinses dem Vermieter schriftlich angekündigt hat."
Diese Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 2 und Nr. 3 AGBG und § 537 Abs. 3 BGB und ist deshalb unwirksam: Nach § 11 Nr. 2 AGBG darf das Zurückbehaltungsrecht nicht eingeschränkt werden; demgegenüber ist nach der fraglichen Klausel das Zurückbehaltungsrecht von einer vorherigen Ankündigung abhängig. Nach § 11 Nr. 3 AGBG darf die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen nicht ausgeschlossen werden; demgegenüber soll nach der Klausel die Aufrechnung von einer vorherigen Ankündigung abhängen. Nach § 537 Abs. 3 BGB sind Vereinbarungen, durch die das Minderungsrecht abweichend vom Gesetz geregelt wird, unwirksam; dazu gehört auch der Fall, daß die Minderung von einer vorherigen Anzeige abhängig sein soll.
Aus § 552a BGB ergibt sich nichts anderes. Die Einschränkung des Minderungsrechts wird schon vom Wortlaut des § 552a BGB nicht erfaßt; bezüglich der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts wird durch § 552a BGB der Verbotstatbestand der genannten AGBG-Bestimmungen nicht eingeschränkt, sondern erweitert (vgl. von Westfalen, Wohnraummiete und AGB-Gesetz, Beilage Nr. 8/84 zu Der Betrieb v. 9.3.1984).
Diese Verstöße gegen zwingendes Recht haben zur Folge, daß die gesamte Klausel unwirksam ist: Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt (BGH NJW 1982, 2309). Durch § 552a BGB wird auch kein eigenständiger Aufrechnungsausschluß begründet. Die Vorschrift besagt nur, daß ein Mieter trotz eines Aufrechnungsverbots mit einer Forderung aufgrund des § 538 BGB aufrechnen oder wegen einer solchen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens 1 Monat vor der Fä...