Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungerechtfertigte Mietminderung ist kein Kündigungsgrund
Orientierungssatz
Mindert der Mieter den Mietzins wegen Lärmbelästigungen durch andere Mitmieter nur so geringfügig, daß ein etwaiger Rückstand weniger als 1 Monatsmiete beträgt, so ist die deshalb ausgesprochene Kündigung des Vermieters auch unter dem Gesichtspunkt des BGB § 564b selbst dann unbegründet, wenn die umstrittenen Lärmbelästigungen überhaupt kein Minderungsrecht geben würden.
Tatbestand
Die Beklagten sind seit 30.7.1970 Mieter einer im I. Obergeschoss des Hauses der Kläger in S., A.-Straße, gelegenen 4-Zimmer-Wohnung. Der Mietzins beträgt monatlich DM 525,-- einschl Heizkostenvorschuss. Am 10.1.1975 kündigten die Kläger das Mietverhältnis, weil die Beklagten unter Berufung auf ständige Lärmbelästigungen durch die seit April 1974 in das Erdgeschoss des Hauses eingezogene Familie L. für die Monate Dezember 1974 und Januar 1975 nur jeweils DM 400,-- Miete gezahlt hätten; daraufhin zahlten die Beklagten Mitte Januar 1975 DM 181,45 als Mietzins für die Tage nach, in denen sie sich in Urlaub befunden hatten. Eine erneute Mietminderung für April wurde Ende April von den Beklagten rückgängig gemacht.
Das AG Weinheim wies durch Urteil vom 30.5.1975 die Räumungsklage der Kläger ab, da diesen kein Kündigungsgrund gem den §§ 554, 564b Abs 2 Nr 1 BGB zustehe. Wegen der rechtlichen Würdigung im einzelnen sowie des Vorbringens der Parteien vor dem Amtsgericht und ihrer dort gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Gegen das nicht zugestellte Urteil legten die Kläger am 24.7.1975 Berufung ein, die sie am 6.8.1975 begründeten.
Wie schon vor dem Amtsgericht tragen sie ua vor, daß die unberechtigten Mietkürzungen ein ausreichender Grund für die Kündigung seien. Es sei ihnen nicht zuzumuten, ständig der Miete hinterherzulaufen. Es komme nur darauf an, ob die angeblichen Störungen objektiv vorhanden seien, was nicht der Fall sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 30.5.1975 aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihre im Hause S., A.-Straße, gelegene Wohnung zu räumen und herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führen ua aus, daß die Einbehaltung geringfügiger Mietbeträge die Kündigung nicht rechtfertigen könne. Im übrigen seien sie während der zweiten Hälfte des Jahres 1974 sowie im Januar und April 1975 durch einen von der Familie L. verursachten unerträglichen Lärm empfindlich in ihrem Wohlbefinden gestört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger ist zulässig gem den §§ 511ff ZPO. Sie ist jedoch unbegründet, weil den Klägern kein Kündigungsgrund gem den §§ 554, 554a, 564b BGB zusteht.
Da der Mietzinsrückstand der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung und bis zur Verhandlung vom 18.9.1975 weit unterhalb einer Monatsmiete geblieben ist, sind die Voraussetzungen für eine auf § 554 BGB gestützte Kündigung nicht gegeben.
Die Tatbestände der §§ 554a, 564b Abs 1, Abs 2 Nr 1 BGB sind ebenfalls nicht erfüllt, da die von den Beklagten vorgenommenen Mietkürzungen keine im Sinne dieser Vorschriften beachtliche Vertragspflichtverletzung darstellen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Beklagten nur deshalb den Mietzins gemindert haben, weil sie sich durch von der Familie L. ausgehenden Lärm belästigt gefühlt haben und die Kläger trotz verschiedener Aufforderungen durch die Beklagten gegen diese angeblichen Belästigungen nicht vorgegangen sind. Die Beklagten haben damit subjektiv von einem vertraglichen Schutzrecht Gebrauch gemacht. Der bescheidene Umfang der Minderung und die teilweise Rückzahlung des Mietzinses für diejenigen Tage, in denen die Beklagten urlaubsabwesend waren, haben zu einem Rückstand bis einschließlich Juni 1975 (vgl Schreiben d Beklagten Ziff 1 vom 8.7.1975, Bl 10) von lediglich DM 104,70 geführt. Unter diesen gesamten Umständen sieht die Kammer keine Anhaltspunkte für einen verzögerlichen Vertragserfüllungswillen der Beklagten. Vielmehr ist festzustellen, daß diese aus gegebenem und keinesfalls konstruiertem Anlass (vgl d Prot d Beweisaufnahme im Verfahren des AG Weinheim - 4 C 95/75 - sowie die von den Beklagten unter dem 9.9.1975 vorgelegten Schreiben der Kläger vom 10.1.1975 und 27.12.1974) ein vertragliches Recht in Anspruch genommen haben. Da darin in vorliegendem Fall selbst bei unberechtigter Mietkürzung kein willkürliches oder schikanöses Verhalten zu erblicken ist, berechtigt die Inanspruchnahme des Minderungsrechts nicht die Kündigung (vgl auch OLG Köln WM 74, 126); denn weder ist die - bei ungerechtfertigter Minderung gegebene - fahrlässige Verletzung der Pflicht zu vollständiger Mietzahlung erheblich im Sinne des § 564b Abs 2 Nr 1 BGB, noch macht sie gar den Klägern die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar iS d...