Verfahrensgang
AG Marburg (Urteil vom 26.04.1991; Aktenzeichen 10 C. 177/91) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das Urteil des Amtsgerichts Marburg vom 26.04.1991 – 10 C 177/91 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. gegen das Räumungsurteil des Amtsgerichts ist unbegründet.
Die vom dem Kläger als Vermieter erklärte Kündigung, die sich auf den zu der Mietwohnung gehörenden Dachbodenraum beschränkt, ist wirksam und hat insoweit das Mietverhältnis beendet, so daß die Beklagten den genannten Raum gemäß § 556 BGB an den Kläger zurückgeben müssen.
Das Amtsgericht hat seine dahingehende Entscheidung zutreffend auf eine analoge Anwendung der mit dem Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz vom 17.05.1990 eingeführten und seit dem 01.06.1990 geltenden Vorschrift des § 564 b Abs. 2 Nr. 4 BGB gestützt und dies überzeugend begründet. Die genannte gesetzliche Bestimmung ist hier heranzuziehen, auch wenn der Kläger den Dachboden nicht zum Zwecke der Vermietung ausbauen, sondern dort eine Wohnung schaffen will, die für ihn selbst und seine Familie bestimmt ist. Die analoge Anwendung des § 564 b Abs. 2 Nr. 4 BGB ist deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger zugleich die von ihm in demselben Haus bewohnte größere Wohnung freimachen und vermieten will. Bei diesen Gegebenheiten entspricht die Interessenlage der Parteien der jener Beteiligten, auf die die gesetzliche Regel zutrifft. Die analoge Anwendung deckt sich auch mit dem Zweck des Wohnungsbau-Erleichterungsgesetzes, der dahingeht, wegen der Wohnungsnot zusätzliche Möglichkeiten für den Bau von Wohnungen zu schaffen.
Die Berufungsrügen vermögen nicht zu überzeugen. Insbesondere haben die Beklagten nicht begründen können, weshalb eine analoge Anwendung der in Rede stehenden Vorschrift ausgeschlossen sein soll. Unzutreffend ist ihre Auffassung, daß eine Regelungslücke deshalb nicht gegeben sei, weil der vorliegende Fall durch den allgemein anerkannten Grundsatz über die unzulässigkeit von Teilkündigungen geregelt werde.
Auszugehen ist davon, daß der Gesetzgeber den genannten Grundsatz für den beschriebenen Tatbestand durchbrechen wollte und dabei den rechtsähnlichen Tatbestand, der vorliegend erfüllt ist, übersehen hat. Dadurch ist die Lücke entstanden, die durch die analoge Anwendung geschlossen werden kann. Diese liegt auch im Interesse der Gesamtheit der Mieter und vor allem derjenigen, die eine Wohnung suchen, wenn auch ein Fall wie der vorliegende sicher nur selten vorkommen wird.
Schließlich kann auch der Meinung der Beklagten nicht beigepflichtet werden, mit der analogen Anwendung werde eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Möglichkeit zum Mißbrauch geschaffen. Auch in den Fällen, in denen das Gesetz unmittelbar anzuwenden ist, wird der Mißbrauch nicht grundsätzlich auszuschließen sein. Ein Unterschied zu den Fällen, in denen wegen der hier anerkannten analogen Anwendung die Kündigung zulässig sein wird, ist nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Böttner, Kotzian-Marggraf, Feldkamp
Fundstellen