Normenkette
ZPO § 807 Abs. 1, § 807; GVG § 185a Abs. 2; ZPO § 900
Verfahrensgang
AG Heiligenstadt (Entscheidung vom 02.09.2009; Aktenzeichen 2 M 686/09) |
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 15. September 2009 wird der Beschluss des Amtsgerichts Heilbad Heiligenstadt vom 02. September 2009 - Az.: 2 M 686/09 - aufgehoben.
2.
Auf die Vollstreckungserinnerung der Gläubigerin vom 14. Mai 2009 wird die Gerichtsvollzieherin angewiesen, die Durchführung des Vollstreckungsauftrages der Gläubigerin vom 17. April 2009 nicht mehr mit der bisher hierfür abgegebenen Begründung zu verweigern; wenn die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind, wird der Vollstreckungsauftrag antragsgemäß auszuführen sein.
3.
Der Gegenstandswert wird auf 328,03 € festgesetzt.
Gründe
I.
Unter dem 17.04.2009 beantragte die Gläubigerin gegenüber der "Verteilungsstelle für Gerichtsvollzieheraufträge" bei dem Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt wegen einer Hauptforderung von 328,03 € aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 20.01.2009, gegen die Schuldnerin einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß §§ 807, 900 ZPO zu bestimmen. Ein vorher einzuleitender Vollstreckungsversuch gegen die Schuldnerin würde erfolglos sein, da gemäß der Auskunft des Amtsgerichts Heilbad Heiligenstadt gegen die Schuldnerin bereits ein Haftbefehl vom 13.03.2009 vorliege.
Der Vollstreckungsauftrag gelangte zur Gerichtsvollzieherin Merke bei dem Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt, die dem Vollstreckungsantrag nicht entsprach.
Deswegen erhob die Gläubigerin mit am 15.05.2009 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben vom 14.05.2009 Vollstreckungserinnerung mit dem Antrag, die Gerichtsvollzieherin zur Ausführung des gestellten Antrages anzuweisen.
Mit Schreiben vom 09.06.2009 begründete die Gerichtsvollzieherin gegenüber dem Amtsgericht ihre Entschließung. Sie habe dem Antrag nicht entsprochen, da der von der Gläubigerin dargelegten Rechtsprechung nicht gefolgt werden könne. Ein eingetragener Haftbefehl ließe nicht zwangsläufig auf Vermögenslosigkeit schließen. Seit Geltung der Nummern 3 und 4 des Absatzes 1 des § 807 ZPO indizierten ungelöschte Haftbefehle nicht mehr die Pfandlesigkeit und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Hätte der Gesetzgeber nicht gelöschte Haftbefehle als zureichenden Grund zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ansehen lassen wollen, hätte er dies im Rahmen der Neuregelung des § 807 ZPO ausdrücklich so regeln können. Die Eintragung eines Haftbefehls werde nicht für maßgeblich gehalten, etwas über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszusagen.
Mit Beschluss vom 02.09.2009 schloss sich das Amtsgericht der Auffassung der Gerichtsvollzieherin an und wies die Erinnerung der Gläubigerin zurück. Es bestehe zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass bei anderweitigem Haftbefehl die Pfändung keine vollständige Befriedigung für den Gläubiger erbringen könne, der Gesetzgeber habe aber nach seinem Gesetzeswortlaut anders entschieden. Es sei auch keine planwidrige Gesetzeslücke vorhanden, weshalb die gesetzlich fixierten Voraussetzungen für den Antrag der Gläubigerin nicht vorlägen.
Gegen diesen am 09.09.2009 zugestellten Beschluss richtete sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 15.09.2009, die am 18.09.2009 bei dem Amtsgericht einging.
Nach herrschender Meinung sei der Nachweis, dass der Gläubiger durch die Pfändung keine vollständige Befriedigung erlangen könne, glaubhaft zu machen. Dies könne auch unter Hinweis auf dem Schuldnerregister eingetragene, ungelöschte Haftbefehle geschehen. Nach § 807 Abs. 1 Nr. 2 ZPO sei nur glaubhaft zu machen; dies erfordere einen gegenüber Gewissheit geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit. Der Wahrscheinlichkeitsgrad sei hier erreicht. Dies sei auch die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung.
Mit Beschluss vom 23.09.2009 hat das Amtsgericht der Beschwerde der Gläubigerin nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Mühlhausen zur Entscheidung vorgelegt.
Von hier aus ist der Schuldnerin unter Überlassung von Kopien sämtlicher relevanter Aktenbestandteile Gelegenheit zur Rückäußerung gegeben worden. Die Schuldnerin hat - wie bereits dem Amtsgericht gegenüber - nicht reagiert.
II.
Die gemäß §§ 793, 567 ff. ZPO statthafte und zulässige angebrachte sofortige Beschwerde der Gläubigerin führt in der Sache zu dem austenorierten Erfolg.
Die vom Amtsgericht mitgetragene Auffassung der Gerichtsvollzieher wird den gesetzlichen Vorgaben nicht gerecht Grundsätzlich kann der Hinweis des Gläubigers auf einen ungelöschten Haftbefehl zur Glaubhaftmachung i.S. § 807 Abs. 1 Nr. 2 ZPO genügen (m.N. auch zur Gegenmeinung Zöller, 28. Aufl., § 807 Rnr. 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 67. Aufl., § 807 Rnr. 11 "Haftbefehl"; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 807 Rnr. 4; MünchKomm ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 807 Rnm. 44 und 16 LG Bremen. JurBüro 2009 S. 551; AG Erkelenz, JurBüro 2008, S. 326, AG Bremerhaven, JurBüro 2006, S. 608/609; AG Verden (Aller), JurBüro 2006 S. 4...