Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung einzelner Miteigentümer zur tätigen Mithilfe bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen Mehrheitsbeschluss ist grundsätzlich unzulässig.
2. Ausnahmsweise ergibt sich aus § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 WEG eine Beschlusskompetenz für eine tätige Mithilfe, wenn typischerweise in Hausordnungen derartige Pflichten geregelt sind. Das ist etwa bei einer Verpflichtung der einzelnen Miteigentümer zur Mithilfe bei Schneeräumarbeiten der Fall.
3. Ob eine solche Regelung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist im Einzelfall durch Abwägung aller Umstände zu bestimmen. Dabei sind insbesondere die Größe der WEG, die Verteilungsgerechtigkeit, der Umfang der von den einzelnen Eigentümern zu leistenden Arbeiten, sowie etwaige in der Person eines einzelnen Miteigentümers liegenden Gründe, die für ihn eine Unzumutbarkeit begründen können, zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
AG Deggendorf (Urteil vom 29.01.2010; Aktenzeichen 2 C 982/08 WEG) |
Tenor
I. Das Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 29.01.2010 wird mit Ausnahme des Streitwertbeschlusses aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Auf die zulässige Berufung der Beklagten hin war das Urteil des Amtsgerichts Deggendorf aufzuheben und die Klage abzuweisen. Denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist in ihrer zuletzt gestellten Form zulässig. Aufgrund der einseitigen Erledigterklärung hat die Klägerin ihre Anfechtungsklage in einen Antrag auf Feststellung der Erledigung abgeändert. Das ist gemäß §§ 533, 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres auch noch in der Berufungsinstanz zulässig (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 91a Rz. 32).
2. Die Klage ist indes unbegründet, weil Erledigung nicht eingetreten ist.
Die Erledigung eines Rechtsstreits setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 91a Rz. 33; Z'öller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rz. 43 f.). Daran fehlt es hier, weil die Anfechtungsklage schon von Anfang an unbegründet war. Die angegriffenen Beschlüsse, durch die die einzelnen Wohnungseigentümer verpflichtet werden, während der Wintermonate abwechselnd die Schneeräumpflicht zu übernehmen, sind rechtmäßig.
a) Die Beschlusskompetenz ergibt sich dabei nach Ansicht der Kammer aus § 21 V Nr. 1 WEG.
(1) Zwar ist eine Verpflichtung einzelner Eigentümer zur tätigen Mithilfe durch Mehrheitsbeschluss grundsätzlich unzulässig. Das folgt aus § 21 I WEG, wonach die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht. Von diesem Grundsatz darf grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung, nicht durch einfachen Mehrheitsbeschluss abgewichen werden.
(2) Andererseits ergibt sich aus § 21 V Nr. 1 WEG eine spezielle Beschlusskompetenz zur Errichtung einer Hausordnung durch Mehrheitsbeschluss (Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 46). Mit einer solchen Hausordnung dürfen dabei nach allgemeiner Definition grundsätzlich Verhaltensvorschriften geregelt werden, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen (OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2007, 377; Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 45; Vandenhouten, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 53; Wenzel, NZM 2004, 542, 544). Die Normierung des Winterdienstes ist daher grundsätzlich ein tauglicher Gegenstand der Hausordnung (OLG Köln NZM 2005, 261; Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 49; auch Wenzel, NZM 2004, 542, 544 sieht in der Hausordnungskompetenz einen tauglichen formalen Anknüpfungspunkt), weil sie der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung auf dem Anwesen im Winter dient.
(3) Das Spannungsverhältnis zwischen § 21 I WEG einerseits und § 21 V Nr. 1 WEG andererseits ist so zu lösen, dass die Verpflichtung zu einer tätigen Mithilfe durch Mehrheitsbeschluss (nur) dann ausnahmsweise möglich ist, wenn es sich um einen Bereich handelt, der sehr häufig und typischerweise in Hausordnungen auf einzelne Eigentümer delegiert wird (Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 21 Rz. 80; Vandenhouten, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 59, aA Wenzel NZM 2004, 542, 544). Das ist hinsichtlich der Schneeräumpflicht ebenso der Fall, w...