Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine optische Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist es ausreichend, dass sie durch eine bauliche Veränderung ausgelöst wird, die von einer öffentlichen Verkehrsfläche aus von jedermann wahrgenommen werden kann.
2. Ob die durch eine Parabolantenne ausgelöste optische Beeinträchtigung einen über das unvermeidliche Maß hinaus gehenden Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG darstellt, ist durch Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, unter Berücksichtigung der sich gegenüberstehenden Grundrechtspositionen zu ermitteln.
3. Dabei wird dem Informationsinteresse der klagenden Wohnungseigentümer durch die Möglichkeit, über Breitbandkabel sieben Fernsehsender in ihrer Heimatsprache zu empfangen und sich weitere Nachrichten über Internet und Radio zu beschaffen, regelmäßig ausreichend Genüge getan.
Verfahrensgang
AG Kempten (Urteil vom 19.06.2009; Aktenzeichen 40 C 1337/08) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1, 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Auf die überzeugende Begründung des Amtsgerichts wird Bezug genommen.
1. Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht schon das Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit ist es unerheblich, dass die Kläger bereits rechtskräftig verurteilt wurden, eine eigenmächtig aufgestellt Parabolantenne zu entfernen. Denn hier geht es um die davon zu trennende Frage, ob die Kläger einen Anspruch gegen die Beklagten auf Genehmigung einer solchen Parabolantenne haben.
2. Die Klage ist indes unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gemäß § 21 IV WEG auf Genehmigung einer auf dem Dach anzubringenden Parabolantenne. Dem steht entgegen, dass die Anbringung der Satellitenschüssel auf dem Dach für die Beklagten mit einem Nachteil verbunden wäre, der nicht unvermeidlich gemäß § 14 Nr. 1 WEG ist und den hinzunehmen die Beklagten daher nicht gezwungen werden dürfen.
a) Die von den Klägern geplante Errichtung einer Parabolantenne auf dem Dach des gemeinschaftlichen Anwesens wäre mit einer optischen Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG verbunden.
(1) Ob eine solche nachteilige optische Beeinträchtigung vorliegt, richtet sich danach, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer durch die in Rede stehende optische Veränderung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH NJW 1992, 978, 979; Spielbauer/Then, WEG, § 22 Rz. 11; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 22 Rz. 84). Unerhebliche Beeinträchtigungen genügen nicht (Spielbauer/Then, WEG, § 22 Rz. 11; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 22 Rz. 84; Jennißen/Hogenschurz, WEG, § 22 Rz. 30). Die Schwelle dafür, ob ein nur unerheblicher Nachteil entsteht, der von den Miteigentümern hinzunehmen ist, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eher niedrig anzusetzen (BVerfG NVwZ 2005, 801, 802; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 22 Rz. 84; Jennißen/Hogenschurz, WEG; § 22 Rz. 30): Grundsätzlich ist wegen Art. 14 I GG eine einseitige Umgestaltung der Anlage ohne oder gegen den Willen der (Mit-)Eigentümer nicht möglich.
(2) Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem optischen Nachteil auszugehen. Das ergibt sich aus dem unstreitigen Parteivortrag sowie aus den bei der Akte befindlichen Lichtbildern.
Die Lichtbilder zeigen, dass die Parabolantenne die einzige auf dem Dach des streitgegenständlichen Anwesens wäre. Das Dach ist dabei bislang mit Ausnahme einzelner Kamine ohne gravierende Erhebungen gestaltet. Das dadurch vermittelte einheitliche Erscheinungsbild würde durch die Anbringung einer Satellitenschüssel, die aus der gleichförmigen Dachfläche hochragen würde, durchbrochen und gestört. Daraus ergibt sich ein optischer Nachteil.
Entgegen der Ansicht der Kläger reicht es aus, dass diese optische Beeinträchtigung von dem ca. 150 Meter entfernten Adenauerring für jedermann einsehbar wäre. § 14 Nr. 1 WEG fordert nur, dass ein Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums einen Nachteil für andere Wohnungseigentümer hervorruft. Für einen Wohnungseigentümer macht es aber keinen wesentlichen Unterschied, ob er eine optische Beeinträchtigung von einer öffentlichen Verkehrsfläche wahrnimmt, auf der er – wie auch jeder Dritte – nach Belieben verweilen und das auch ihm gehörende Anwesen betrachten darf, oder ob die Beeinträchtigung schon von der zu dem Anwesen gehörenden Gemeinschaftsfläche aus sichtbar wird. So oder so st...