Normenkette
WoEigG §§ 23, 3 Nr. 4, § 46; BGB § 138
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 18.12.2009; Aktenzeichen 481 C 1002/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.12.2009 wird aufgehoben.
II. Der in der Eigentümerversammlung vom 29.07.2009 unter TOP 4 ergangene Beschluss (Sonderumlage von 12.500 Euro) wird für ungültig erklärt.
III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.475 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Beschluss vom 29.07.2009, durch den die Liquiditätsumlage beschlossen wurde, war für ungültig zu erklären. Es fehlt an einem wirksamen Wirtschaftsplan für das Jahr 2009 (1). Angesichts dessen entsprach die Liquiditätsumlage nicht ordnungsgemäßer Verwaltung (2).
1. Ein wirksamer Beschluss über einen Wirtschaftsplan für das Jahr 2009 ist nicht vorhanden.
Aus den Protokollen der Eigentümerversammlungen ergibt sich ein solcher Beschluss nicht. Nach Ansicht der Kammer ist auch nicht davon auszugehen, dass ein solcher Beschluss wirksam außerhalb des Protokolls gefasst wurde.
a) Es fehlt schon an einem schlüssigen Beklagtenvortrag, dass insoweit überhaupt ein Beschluss gefasst wurde.
(1) Eine Abstimmung über einen Beschlussantrag ist nicht ersichtlich. Das Fehlen von Widerspruch ist keine Abstimmung: Schweigen ist keine Willenserklärung. Das bloße Abnicken allgemeiner Ausführungen des Versammlungsleiters ist auch noch kein Abstimmen über einen konkreten Beschlussantrag; die Feststellung des Versammlungsleiters, dass der Wirtschaftsplan von 2007 auch für 2009 gelten solle, ist kein konkreter Beschlussantrag. Eines solchen hätte es hier umso dringlicher bedurft, als ein entsprechender Tagesordnungspunkt nicht vorgesehen war.
(2) Außerdem lässt sich dem Beklagtenvortrag nicht entnehmen, dass ein Abstimmungsergebnis vom Versammlungsleiter festgestellt und ein Beschlussergebnis verkündet wurde. Beides sind konstitutive Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Beschlusses (Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 22; Kümmel, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 39).
Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Versammlungsleiter konnte auf Nachfrage der Kammer nicht mehr sagen, was er damals in Bezug auf einen Beschluss zum Wirtschaftsplan genau gesagt hatte. Davon abgesehen würde der vom Beklagtenvertreter diesbezüglich vorgetragene Satz des Versammlungsleiters „dann machen wir das so” nicht ausreichen, um ein Abstimmungsergebnis zu dokumentieren. Auf eine wie auch immer geartete Abstimmung nimmt der Satz überhaupt nicht Bezug.
Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten die die Versammlung leitende Verwaltung zuvor mit dem Beirat abgesprochen hatte, zu dem Wirtschaftplan aufgrund des Anfechtungsrisikos gerade keinen Beschluss fassen zu wollen, sondern den Eigentümern in der Versammlung lediglich eine „Fortführung des Wirtschaftsplans 2008 auch in 2009” zu erklären (Anlage B6). Vor diesem Hintergrund kann der Äußerung „dann machen wir das so” nicht entnommen werden, dass damit – abredewidrig – doch ein Beschluss zum Wirtschaftsplan verkündet werden sollte. Dass die Hausverwaltung sich insoweit in Widerspruch zu ihrer nur kurze Zeit vorher getroffenen Vereinbarung mit dem Beirat setzten wollte, ist nicht vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
b) Ein etwaig mit dem in der Beschlusssammlung wiedergegebenen Text gefasster Beschluss wäre überdies jedenfalls sittenwidrig und also gemäß § 138 BGB nichtig.
Ein Beschluss ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn er gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt; abzustellen ist dabei vor allem auch auf die Motive der den Beschluss fassenden Eigentümer (Kümmel, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 75).
Ausweislich der Beschlusssammlung sollte der Beschlusstext folgendermaßen lauten: „Der Wirtschaftsplan 2007 wird auch im Jahr 2009 weiter fortgeführt. Die Protokollierung der Beschlussfassung erfolgt aufgrund des Anfechtungsrisikos nicht.”
Der Beschluss sollte also – ausweislich dieses Textes – bewusst und gewollt außerhalb des Protokolls gefasst werden, um eine Anfechtung zu verhindern. Es sollte also das Anfechtungsrecht der Miteigentümer nach § 46 WEG möglichst beschränkt und ausgehöhlt werden. Eine Beschlussfassung mit dem Ziel einer derartigen vorsätzlichen und gezielten Benachteiligung anfechtungswilliger Eigentümer ist mit dem Anstandsgefühl bil...