Leitsatz (amtlich)
a. Unterlassen der Vorstand und der Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft die Veröffentlichung einer Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, so können die Beschlüsse über die Entlastung dieser Organe deshalb angefochten werden.
b. Die Vorschrift des § 314 Abs. 2 Satz 3 AktG verlangt die wörtliche Wiedergabe des Bestätigungsvermerks im Bericht des Aufsichtsrats; wird hiergegen verstoßen, so rechtfertigt dies die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses.
c. Der Vertragsbericht des Vorstands nach § 293a Abs. 1 AktG muss hinreichend klare Angaben über die Bonität der herrschenden und zahlungspflichtigen Gesellschaft enthalten.
d. Ein in englischer Sprache erstellter Jahresabschluss muss den Aktionären gem. § 293f AktG in deutscher Übersetzung zur Verfügung gestellt werden.
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 17.7.2007 zu
- TOP 2: Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2006
- TOP 3: Einzelentlastung des Aufsichtsratsmitgliedes … P. für das Geschäftsjahr 2006
- TOP 6: Beschlussfassung über die Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen, zum Ausschluss des Bezugrechts, zur Schaffung eines bedingten Kapitals und zur entsprechender Satzungsänderung
- TOP 7: Beschlussfassung zur Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit der E. G. B. V.
- TOP 8: Beschlussfassung über die Ermächtigung zum Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum geregelten Markt (General Standard) an der Frankfurter Wertpapierbörse (reguläres Delisting)
für nichtig erklärt.
II. Von den Gerichtskosten trägt der Kläger zu 2) 1/100, die Beklagte 99/100. Der Kläger zu 2) trägt von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten 1/100. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1), zu 3) bis 11) sowie 11/12 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2).
III. Das Urteil ist für die Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung jeweils in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 2) kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird im Verhältnis der einzelnen Kläger zur Beklagten wie folgt festgesetzt:
- Kläger zu 1) und zu 6): EUR 225 000,–,
- Kläger zu 2) bis zur teilweisen Klagerücknahme im Termin vom 15.11.2007 auf EUR 200 000,–, ab diesem Zeitpunkt auf EUR 183 500,–,
- Kläger zu 5) und zu 10): EUR 183 500,–,
- Kläger zu 3), zu 4), zu 7), zu 8), zu 9) und zu 11): EUR 150 000,–
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten.
I.
1. Die Beklagte, eine börsennotierte Aktiengesellschaft aus dem Bereich der B.…nologie mit einem Grundkapital von EUR 12 884 630,–, eingeteilt in eine gleiche Anzahl von Stückaktien, die unter anderem am geregelten Markt der Wertpapierbörse in Frankfurt am Main gehandelt werden, veröffentlichte am 8.6.2007 im elektronischen Bundesanzeiger die Ladung zu ihrer Hauptversammlung am 17.7.2007. Zu dem zu Tagesordnungspunkt 6 zu fassenden Beschluss bzgl. der Ausgabe von Wandelschuld- und/oder Optionsschuldverschreibungen erstattete der Vorstand der Beklagten folgenden Bericht, der der Bekanntmachung der Einladung zur Hauptversammlung beigefügt war:
„Der Vorstand hat den nachfolgenden Bericht an die Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7 gemäß §§ 221 Abs. 4 i.V.m. 186 Abs. 4 Satz 2 AktG über die Gründe für die Ermächtigung des Vorstands, das Bezugsrecht der Aktionäre bei Ausnutzung der Ermächtigung auszuschließen, erstattet.
Der Bericht liegt vom Tage der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsichtnahme durch die Aktionäre aus. Er wird auch während der Hauptversammlung zur Einsichtnahme durch die Aktionäre ausliegen. Auf Verlangen wird der Bericht jedem Aktionär unverzüglich kostenlos übersandt. Der Bericht hat folgenden Inhalt:
Durch Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen kann die Gesellschaft je nach aktueller Marktlage attraktive Finanzierungsmöglichkeiten nutzen und sich potenzielles Eigenkapital durch Ausgabe von Schuldverschreibungen verschaffen. Eine angemessene Ausstattung mit Eigenkapital ist eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft.
Den Aktionären soll grundsätzlich ein Bezugsrecht an den Wandlungs- und Optionsschuldverschreibungen zustehen. Um die Abwicklung zu erleichtern, soll der Gesellschaft die Möglichkeit eröffnet werden, die Schuldverschreibungen an ein Kreditinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 7 KWG tätigen Unternehmen oder einem Konsortium solcher Kreditinstitute oder Unternehmen mit der Verpflichtung auszugeben, den Aktionären diese entsprechend ihrem Bezugsrecht anzubieten (m...