Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Eigentümers zur Beseitigung des Überhangs einer Ligusterhecke ohne das Grundstück des Nachbarn zu betreten
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Der Nachbar kann grundsätzlich vom Eigentümer die Beseitigung des Überhanges einer Hecke verlangen, ohne hierzu das Betreten seines Grundstückes zu gestatten.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
2. Ein Recht, das Grundstück des Nachbarn zu betreten, steht dem zur Beseitigung des Überhangs verpflichteten Nachbarn nicht zu und läßt sich auch nicht aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis über BGB § 242 herleiten.
3. Das Selbsthilferecht des die Beseitigung verlangenden Eigentümers aus BGB § 910 schließt einen Anspruch aus BGB § 1004 nicht aus.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Entlang der Grenze befindet sich auf dem Grundstück des Beklagten eine Ligusterhecke.
Der Kläger begehrt die Beseitigung der auf sein Grundstück überhängenden Zweige. Er ist der Ansicht, daß er es nicht zulassen müsse, daß der Beklagte zu diesem Zweck sein Grundstück betritt, zumal er in diesem Bereich ein Beet angelegt habe. Der Beklagte trägt vor, daß die Hecke nur vom Grundstück des Klägers aus geschnitten werden könne, was auch in der Vergangenheit stets so gehandhabt worden sei.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist auch begründet mit der Folge, daß das Endurteil des AG aufzuheben und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen war.
Mit dem AG ist davon auszugehen, daß das Selbsthilferecht des Klägers nach § 910 BGB auf Beseitigung des vom Beklagtengrundstück ausgehenden Überhangs den Anspruch aus § 1004 BGB nicht ausschließt. Der klagende Eigentümer kann daher verlangen, daß die auf sein Grundstück vom Nachbargrundstück aus herüberhängenden Zweige von dem Störer, daß ist vorliegend der Beklagte, beseitigt werden. Entgegen der Auffassung des AG ist der Beklagte aber nicht berechtigt, hierzu das Grundstück des Klägers zu betreten. Ein derartiges Betretungsrecht steht dem Beklagten nicht zu und läßt sich vorliegend auch nicht aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis über § 242 BGB entnehmen. Dies stellt nämlich kein gesetzliches Schuldverhältnis dar und keine Anspruchsgrundlage, sondern dient nur in Ausnahmefällen dem gerechten Ausgleich widerstreitender Interessen zwischen Nachbarn im Einzelfall. Ein solcher liegt aber nicht vor, zumal der Beklagte selbst vorträgt, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Abstände der Bepflanzung von der Grundstücksgrenze des Klägers eingehalten sind. Daß vorliegend die Schneidearbeiten auf dem Grundstück des Beklagten überhaupt nicht oder nur unter Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten durchgeführt werden können, ist nicht dargetan.
Es verbleibt sonach bei dem Grundsatz, daß das Nachbargrundstück nur mit Einwilligung des jeweiligen Eigentümers betreten werden darf. Daß eine Abweichung von diesem Grundsatz über § 242 BGB in vorliegendem Fall zwingend geboten ist, ist in keiner Weise ersichtlich. Es mag zwar durchaus sein, daß das Beschneiden der Hecke für den Beklagten vom Grundstück des Klägers aus leichter zu bewerkstelligen ist. Das allein rechtfertigt aber ein Betretungsrecht nicht. Der Beklagte ist in erster Linie verpflichtet, seine Hecke so zu gestalten und zu halten, daß ihm deren Beschneidung von seinem Grundstück aus möglich ist. § 242 BGB gibt dem Beklagten vorliegend kein Recht zum Betreten des klägerischen Grundstücks, um seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Beseitigung des Überhangs nachzukommen (vgl. auch KG in OLGZ 26, 72; Baier-Lindner, Bayer. Nachbarrecht 1986, Kapital 5 G; Glaser-Dröschel, Das Nachbarrecht in der Praxis, 3. Aufl., Seite 244 und Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 3. Aufl., Anm. 8 B Seite 108-S. 109).
Fundstellen