Entscheidungsstichwort (Thema)
fahrlässige Tötung
Verfahrensgang
AG Erlangen (Urteil vom 22.07.2005) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 22.7.2005 wie folgt abgeändert:
1. Die Angeklagten H…L… und A…L… sind jeweils schuldig der fahrlässigen Tötung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen.
2. Es werden daher verurteilt,
a) der Angeklagte H…L… zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren
b) der Angeklagte A…L… zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten.
3. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen wird bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt.
4. Dem Angeklagten H…L… wird für die Dauer von 3 Jahren verboten, ein selbstständiges (gewerbliches) Speditionsgewerbe auszuüben.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Angeklagten als unbegründet verworfen.
III. Die Angeklagte haben die Kosten des Berufungsverfahrens und ihre notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Nebenklage zu tragen.
Soweit durch die Berufung der Staatsanwaltschaft ausscheidbare oder notwendige Auslagen der Kosten entstanden sind, hat diese die Staatskasse zu tragen.
Gründe
(abgekürzt gem. § 267 IV StPO)
I. Verfahren
Das Amtsgericht Erlangen hat die Angeklagten am 22.7.2005 der gemeinschaftlichen Anstiftung zur vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs jeweils in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in 2 rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig gesprochen und den Angeklagten H…L… zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 3 Monaten und den Angeklagten A…L… zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe beim Angeklagten A…L… hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt und dem Angeklagten H…L… für die Dauer von 4 Jahren verboten, das Speditionsgewerbe auszuüben.
Gegen dieses in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil haben die Angeklagten jeweils ein nicht bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, und zwar der Angeklagte H…L… mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25.7.2005, eingegangen beim Amtsgericht Erlangen am 26.7.2005 und der Angeklagte A…L… mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 27.7.2005, eingegangen bei dem Amtsgericht Erlangen am gleichen Tag. Mit Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 30.9.2005 haben die Angeklagten ihr Rechtsmittel jeweils als Berufung bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft hat mit Schriftsatz vom 25.7.2005, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag ebenfalls Berufung eingelegt und mit Begründung vom 31.8.2005, eingegangen bei Gericht am 1.9.2005, die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
In der Hauptverhandlung vom 8.2.2006 hat die Kammer mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten das Verfahren gem. § 154a StPO auf den Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen beschränkt und die Staatsanwaltschaft hat ihre auf das Strafmaß beschränkte Berufung zurückgenommen.
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
II. Feststellungen
1. Zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten
a) Der Angeklagte H…L…
(…)
b) Der Angeklagte A…L…
(…)
2. Zur Sache
a) Firmenverhältnisse, Organisation der Speditionstätigkeit und Befehlsstruktur
Beide Angeklagte sind Gesellschafter-Geschäftsführer der Firma H…L…-F… GmbH mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM. Von diesem Stammkapital hält der Angeklagte H…L… 10 %, der Angeklagte A…L… 90 %. Eingetragener Sitz der Firma ist Schwarzenberg/Thüringen, tatsächlich wurden die Geschäfte jedoch weitgehend vom Wohnort der Angeklagten in Wendelstein geführt. Der Speditionshof der Firma befindet sich in Nürnberg in der H…-Straße.
Nach Verkündung des Ersturteils im vorliegenden Verfahren kündigte die Hauptauftraggeberin der H…L…-F… GmbH mit Fax vom 25.7.2005 ihre Geschäftsbeziehungen mit sofortiger Wirkung auf. Der Angeklagten H…L… versuchte durch Akquisition von Kleinaufträgen die Firma wirtschaftlich zu erhalten. Nachdem es ihm nicht gelang ausreichend Aufträge hereinzuholen, mussten die Angeklagten als verantwortliche Geschäftsführer am 29.11.2005 Insolvenz anmelden. Über die Eröffnung des Insolvenzverfarhrens ist noch nicht entschieden.
Formal waren bzw. sind beide Angeklagte gleichberechtigte Geschäftsführer der Firma. Die tatsächliche Situation in der Firma war demgegenüber geprägt von einem klar ausgeprägten Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Vater und Sohn. Der Angeklagte H…L… hatte bereits bei Gründung des Unternehmens im Jahr 1991 den Plan, seinem Sohn im Jahr 2011 die Geschäfte zu übergeben, sah sich bis dahin jedoch als Chef und autoritäre Führungspersönlichkeit und seinen Sohn eher als Angestellten und Befehlsempfänger. Dies galt ganz besonders ausgeprägt für die Akquisition, Organisation, Disposition der Speditionsfahrten einschließlich der Überwachung der angestellten Fahrer, die der Angeklagte H…L… in eigener Machtvollkommenheit wahrnahm. Der Angeklagte H…L… reklamierte für sich die Berufserfahrung eines “alten Hasen” im Speditionsgewerbe und ließ sich von seinem Sohn nicht “ins Handwerk pfuschen”. Entsprechend war der Angeklagte A…L… intern auch “nur” für die Buchhaltung zuständi...