Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderung

 

Nachgehend

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 24.02.2006; Aktenzeichen 14 W 3/06)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Selbstablehnung des Vorsitzenden, Herrn Vizepräsidenten des Landgerichts …, unbegründet ist.

 

Gründe

Es war auszusprechen, dass die Selbstablehnung unbegründet ist, da die in der Selbstablehnung des Vorsitzenden genannten Gründe nicht geeignet sind, eine Ablehnung zu rechtfertigen.

I.

Mit Verfügung vom 06.12.05 (AS 53) teilte der Vorsitzende, Herr Vizepräsident des Landgerichts …, folgendes mit: “Nach § 48 ZPO teile ich mit, dass der Geschäftsführer der Klägerin als ehrenamtlicher Handelsrichter Mitglied der zuständigen Kammer für Handelssachen des Landgerichts Offenburg ist. Dieser Umstand könnte geeignet sein, eine Ablehnung des Vorsitzenden -aber auch anderer Handelsrichter- zu rechtfertigen (vgl. OLG Hamm MDR 1978, 583)”.

II.

Die Selbstablehnung ist unbegründet, da keine Umstände vorliegen, die auf eine Besorgnis der Befangenheit des Herrn Vorsitzenden schließen lassen könnten. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nämlich nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 9 zu § 43). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen scheiden damit aus (BGH NJW-RR 2003, 1220, 1221; Zöller/Vollkommer, a.a.O.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist, auch ist unerheblich, ob er sich selbst für befangen hält (BVerfGE 73, 335; BVerfGE 99, 56). Entscheidend ist vielmehr allein, ob aus Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE 82, 38; BVerfGE 92, 139; BVerfGE 108, 126; BGHZ 77, 72; BGHZ 156, 270).

Unter Zugrundelegung dieser Umstände lässt allein die Zugehörigkeit des Herrn Vorsitzenden und des Geschäftsführers der Klägerin zu demselben Spruchkörper nicht auf Gründe schließen, die ein -objektives- Misstrauen gegen seine unparteiliche Amtsausübung rechtfertigen können. Zwar kann grundsätzlich eine persönliche Beziehung eines Richters zu einer Partei Befangenheit begründen (Münchn. Komm. z. ZPO, 2. Aufl., Rdnr. 8 zu § 42), nach zutreffender Auffassung genügen jedoch die persönlichen Beziehungen im Rahmen einer Zugehörigkeit zum selben Spruchkörper für sich genommen nicht allein, um Derartiges anzunehmen (OLG Nürnberg NJW 1967, 1864).

Soweit vom OLG Hamm (MDR 1978, 538) Gegenteiliges vertreten wird, vermag sich das Gericht dieser Auffassung nicht anzuschließen. So erscheint es bereits nicht nachvollziehbar, wenn und soweit das OLG Hamm der Auffassung ist, bereits die Zugehörigkeit zum selben Spruchkörper sei geeignet, um “zumindest unbewusste Solidarinteressen” zu erzeugen. Diese Auffassung verkennt das spezielle Verhältnis zwischen einem Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen und den einzelnen Handelsrichtern:

a) Anders als etwa bei einer täglichen Zusammenarbeit zwischen Berufsrichtern sind die Handelsrichter entsprechend den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht in den täglichen Arbeitsalltag bei Gericht eingebunden. Sie gehen vielmehr ihrem eigenen Lebensunterhalt nach, aus dem sie schließlich auch das Fachwissen schöpfen können und sollen, um mit diesem -kaufmännischem oder ähnlichem- Fachwissen in konkreten Fällen die juristische Entscheidungsfindung zu bereichern. Das bedeutet, dass sie in dieser vom Gericht grundsätzlich losgelösten Eigenschaft nur dann -punktuell- zu Mitgliedern eines Spruchkörpers werden, wenn dies der Geschäftsverteilungsplan vorsieht. Entsprechend dem Gebot des gesetzlichen Richters ist dieser zudem nur allgemein gefasst, so dass ein konkreter Einsatz nicht -von langer Hand- geplant werden soll und kann.

b) Darüber hinaus kann von einem Berufsrichter erwartet werden, bereits auf Grund seiner Ausbildung und auf Grund seines beruflichen Ethos, dass er sich -möglicherweise- unsachlichen Einflüssen seitens der Richterkollegen bewusst ist und diese zu vermeiden vermag (Pfeiffer, ZIP 1994, 770). Dies gilt umso mehr für einen Vorsitzenden Richter, der über die Ausbildung den beruflichen Ethos hinaus noch gegenüber einem Berufskollegen über eine größere Erfahrung verfügt.

c) Dagegen spricht auch nicht, dass diese Umstände zumeist in der Bevölkerung nicht Allgemeingut sind. Auch wenn der Standpunkt des Ablehnenden, mithin der “Parteienblickwinkel” bei der Beurteilung der Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs eine erhebliche Bedeutung zukommt, so ist es nicht erforderlich, dass die nicht forensisch erfahrene Partei Kenntnis von diesen oben näher dargestellten Umständen hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Handelsrichter jedenfalls in den Sitzungen für einen Laien auf den ersten Blick als ...

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