Tenor
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, das Grundstück ... nebst Wohnhaus und Nebengebäuden zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Dem Beklagten zu 1) wird eine Räumungsfrist bis zum 11. Mai 2012 eingeräumt.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird als unzulässig abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger. Der Beklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten sofort und im Übrigen ab dem 12. Mai 2012 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe eines Grundstücks in Anspruch.
Der Beklagte zu 1) bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern, dem inzwischen volljährigen Beklagten zu 2) und dessen minderjähriger Schwester, das Grundstück ...Der Kläger hat das Grundstück am 31.08.2010 von der Ehefrau des Beklagten zu 1) ersteigert. Die Umschreibung ist am 09.12.2010 erfolgt. Eine zuletzt mit Schreiben vom 13.04.11 an die Beklagten gerichtete Räumungsaufforderung mit Fristsetzung bis zum Monatsende, hilfsweise bis zum 31.07.2011 blieb erfolglos.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, das Grundstück ... nebst Wohnhaus und Nebengebäuden zu räumen und an ihn herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, ihnen Räumungsschutz gem. § 721 ZPO für die Dauer von einem Jahr ab Rechtskraft eines etwaigen Urteils zu gewähren.
Der Beklagte zu 2) hält die gegen ihn gerichtete Klage für unzulässig, da er kein eigenes Besitzrecht innehabe. Jedenfalls sei ihnen - so meinen die Beklagten - ein großzügiger Räumungsschutz zu gewähren, da der Beklagte zu 1) auf den Rollstuhl angewiesen sei und deswegen nur in einer behindertengerechten Wohnung leben könne. Diese müsse außerdem 2 Bäder haben, 4 Personen Platz bieten, im Umkreis von ... liegen und dürfe nicht mehr als 660 Euro (kalt) kosten. Eine solche Wohnung hätten sie trotz intensiver Bemühungen bislang nicht gefunden.
Der Kläger bestreitet diese Angaben und tritt dem Räumungsschutzantrag entgegen.
Das Gericht hat eine ärztliche Auskunft des behandelnden Hausarztes eingeholt, auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist unzulässig; die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist begründet.
Für die Klage gegen den Beklagten zu 2) fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Kläger bedarf für die Zwangsvollstreckung keines Räumungstitels gegen ihn, weil er keinen Mitbesitz an der Wohnung innehat, sondern lediglich Besitzdiener gem. § 855 BGB ist. Solange er das Haus als minderjähriges Kind mit seinen Eltern bewohnte, war er bereits angesichts seines Alters in der Weise im elterlichen Haushalt untergeordnet, dass er deren Weisungen in Bezug auf die Wohnung Folge zu leisten hatte. An diesen Besitzverhältnissen hat sich durch Eintritt der Volljährigkeit bei Fortsetzung der Wohngemeinschaft nichts geändert (BGH, Beschluss vom 19.03.08, AZ I ZB 56/07, Zöller-Stöber, § 885 ZPO, Rz. 7).
Der Beklagte zu 1) ist gem. § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe des Grundstücksverpflichtet, da er gegenüber dem Kläger als Eigentümer kein Besitzrecht hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
Die dem Beklagten eingeräumte Räumungsfrist von gut 12 Wochen erscheint den Umständen nach unter Abwägung der beiderseitigen Interessen angemessen (§ 721 ZPO). Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Kläger das Haus selbst beziehen möchte und seit über einem Jahr auf dessen Räumung wartet. Damit ist bereits jetzt mehr als die Zeit verstrichen, die dem Schuldner auf einen Räumungsschutzantrag gem. § 721 Abs. 5 ZPO als zulässige Höchstfrist bewilligt werden darf. Andererseits ist dem Beklagten Zeit zu geben, um Ersatzwohnraum zu finden. Dabei ist er im Rahmen seiner Ersatzraumbeschaffungspflicht nicht gehalten, jede beliebige freistehende Ersatzwohnung anzumieten. Vielmehr braucht er seine Bemühungen nur auf solche Ersatzwohnungen zu richten, die ihm unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und seiner gerechtfertigten persönlichen Wohnbedürfnissen eine angemessene Wohnmöglichkeit bieten. Die Darlegungslast für den Versuch, Ersatzwohnraum zu finden, liegt beim Räumungsschuldner. Die vom Beklagten dazu vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen die von ihm reklamierte Räumungsfrist von einem Jahr nicht. Denn indem er seine Bemühungen auf Wohnungen beschränkt hat, die rollstuhlgerecht sind, 4 Personen Platz bieten und in der Nähe von ... liegen, weil er eine andere Unterkunft nicht für akzeptabel hält, überspannt er die Anforderungen, die er berechtigterweise und in Abwägung zu den Eigentümerinteressen stellen darf. So ist selbst nach der korrigierten ärztlichen Auskunft vom 21.11.2011 nicht dargetan, dass der Beklagte sich ausschließlich im Rollstuhl fortbewegen un...