Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe
Verfahrensgang
AG Wangen (Urteil vom 26.04.2001; Aktenzeichen 4 C 58/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichtes Wangen vom 26.4.2001, Aktenzeichen 4 C 58/01, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Tatbestand
(Ohne Tatbestand gemäß §543 Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat auf der Grundlage des im vorliegenden Rechtsstreits zu beurteilenden Sachverhaltes gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung des vermieteten Hauses Am Engelberg 40 in Wangen.
Die Kammer schließt sich zunächst den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im erstinstanzlichen Urteil an und nimmt insoweit in vollem Umfange auf diese Bezug.
Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:
Die Kammer hatte im vorliegenden Verfahren lediglich über einen Räumungsanspruch auf Grund der Kündigungen vom 18.04.2000 und vom 02.11.2000 zu entscheiden, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2001 klar gestellt hat, dass auch aus ihrer Sicht die neuerliche Kündigung vom 03.09.2001 nicht Streitgegenstand der Klage sein soll.
Beide streitgegenständlichen Kündigungen waren auch nach Auffassung der Kammer rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam.
Die Klägerin hat beide Kündigungen auf einen Grund gestützt, dessen Entstehung bei Vertragsschluss bereits vorhersehbar war. Der Kündigungsgrund ist jeweils der Umstand, dass nach dem Tod der pflegebedürftigen Mutter der Grund für einen weiteren Aufenthalt der Klägerin in Hamburg entfallen ist und deshalb von ihr die Rückkehr nach Wangen gewünscht wird.
Dass der Eigenbedarf an dem vermieteten Haus mit dem Tod der Mutter entstehen würde, wusste die Klägerin bereits bei Vertragsschluss. So hat sie im Berufungsverfahren vortragen lassen, dass „der wesentliche Grund für die Vermietung die vorläufige Verhinderung der Klägerin an der Wahrnehmung ihres Eigenbedarfes wegen der Betreuungsbedürftigkeit der Mutter in Hamburg” gewesen sei.
Über diesen konkreten Grund für die Vermietung des Hauses hat die Klägerin die Beklagten bei Vertragsschluss auch unstreitig nicht aufgeklärt. Zwar hat sie die Beklagten nicht im Zweifel darüber gelassen, dass sie einmal wieder nach Wangen zurückziehen wolle, hat aber ihre Mutter bzw. die Pflegebedürftigkeit der Mutter hiermit nicht in Zusammenhang gebracht.
Der Umstand, dass die Klägerin über diesen konkreten Grund nicht aufgeklärt hat, führt dazu, dass die Begründung des Eigenbedarfes mit dem Wegfall der Pflegebedürftigkeit der Mutter für den Zeitraum von fünf Jahren nach Mietbeginn rechtsmissbräuchlich ist.
Will ein Vermieter in den ersten fünf Jahren nach Mietbeginn eine Eigenbedarfskündigung auf Gründe stützen, deren Entstehung bei Vertragsschluss bereits vorhersehbar war, so kann er dieses nur dann, wenn er den Mieter über diese Gründe schon bei Vertragsschluss aufgeklärt hat. Eine derartige Aufklärungspflicht besteht nur dann, wenn für die künftige Entstehung eines Eigenbedarfsgrundes bei Vertragsschluss greifbare Anhaltspunkte bestehen. Auf bloße Spekulationen muss sich der Vermieter hier also nicht einlassen (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., 1999, IV Rz. 75). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es hier aber nicht auf die Frage einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Entstehung dieses Grundes an. Denn die meisten möglicherweise entstehenden Eigenbedarfsgründe lassen sich nicht im Sinne einer mathematischen Wahrscheinlichkeit beurteilen bzw. bewerten. Vielmehr handelt es sich bei möglicherweise entstehenden Eigenbedarfsgründen in der Regel um Lebensplanungen oder Lebensumstände des Vermieters oder seiner Angehörigen, deren Eintritt oder Nicht-Eintritt wegen der Vielzahl der Einfluss nehmenden Faktoren nicht im voraus „berechnet” werden kann. Entscheidend ist daher allein die Frage, ob der Vermieter die Entstehung dieses Grundes ernsthaft für möglich halten musste.
Die Kammer sieht daher auch keinen Anlass, einen Rechtsentscheid i.S. des § 541 ZPO zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage einzuholen, ob eine Aufklärungspflicht hinsichtlich solcher möglicher Vertragsbeendigungsgründe bestehe, die mit größerer Wahrscheinlichkeit außerhalb eines 5-Jahres-Zeitraumes eintreten werden als innerhalb eines solchen Zeitraumes. Diese Frage ist aus der Sicht der Kammer – wie dargelegt – nicht entscheidungsrelevant. Die Klägerin versteht hier die Wahrscheinlichkeit im Sinne einer rein statistischen Wahrscheinlichkeit. Diese statistische Wahrscheinlichkeit ist jedoch nur bei einer verallgemeinernden Betrachtung der Fallkonstellation – und auch hier nur sehr schwierig – zu berechnen. Derartige Verallgemeinerungen sind jedoch für die Frage einer individuellen Aufklärungspflicht in einer individuellen Fallkonstellation nicht maßgeblich. Vielmehr kann die Aufklärungspflicht nur anhand der ganz speziellen Merkmale des Einzelfalles beurteilt werden. Dies ist weder einer statis...