Entscheidungsstichwort (Thema)

Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten. Beschlagnahme von Tagebüchern der Ehefrau

 

Orientierungssatz

1. Für eine Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigen ist es gleichgültig, ob er Alleininhaber oder Mitinhaber der tatsächlichen Herrschaft über die Räumlichkeiten ist. Ein Durchsuchungsbeschluß gegenüber dem Beschuldigten erlaubt es aber nicht, Papiere, die ohne weiteres eindeutig seiner Ehefrau zuzuordnen sind, zu durchsuchen oder durchzusehen.

2. Die Verwertung der Papiere muß so gewichtig sein, daß dies eine Verletzung des Wohnungsgrundrechtes nach GG Art 13 rechtfertigen könnte. Dabei muß eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und der Erhaltung des Grundrechtes erfolgen (so auch BGH, 1986-04-09, 3 StR 551/85, NJW 1986, 2261).

3. Die Beschlagnahme der Tagebücher der Ehefrau verletzt auch das grundgesetzliche Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten. Die intimen Aufzeichnungen des Ehegatten aus dieser Zeit der Ehe sind beschlagnahmefrei, auch wenn der Ehegatte einer Teilnahme verdächtig ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Ehefrau des Beschuldigten, nämlich der ... wohnhaft wie der Beschuldigte, vertreten durch ... wird der Beschluß des Amtsgerichts in Saarbrücken vom 25.05.1987 (7 Gs 949/87) insoweit aufgehoben, als die Beschlagnahme von 9 Tagebüchern bestätigt worden ist, und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf richterliche Bestätigung der polizeilichen Beschlagnahme dieser Tagebücher abgelehnt.

Die Kosten der Beschwerde und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Staatskasse.

 

Gründe

Gegen den Beschuldigten wird wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt.

Auf Grund eines polizeilichen Vermerks, er sei zwar anderweitig polizeilich gemeldet, halte sich aber tatsächlich in der Wohnung seiner Freundin, nämlich der Beschwerdeführerin auf, ist auch ihr gegenüber die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume und der ihr gehörenden Sachen angeordnet worden mit der Begründung, es sei zu vermuten, daß die Maßnahme zur Auffindung von Beweismitteln (Rauschgift u.ä.) führen werde. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung hat sich herausgestellt, daß sie neuerdings mit dem Beschuldigten verheiratet ist und es sich bei der Wohnung um die gemeinsame eheliche Wohnung handelt. Hier sind 9 Tagebücher gefunden, eindeutig der Beschwerdeführerin zugeordnet und gegen deren ausdrücklichen Widerspruch polizeilich beschlagnahmt worden. Durch den angefochtenen Beschluß ist die Beschlagnahme richterlich bestätigt worden.

Die Beschwerde ist begründet.

Die Beschlagnahme der neun Tagebücher ist nicht rechtens.

Die Beschlagnahme der ersten sieben von den insgesamt neun Tagebüchern ist im vorliegenden Verfahren, das sich allein gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin richtet, schon deshalb nicht mehr gerechtfertigt, weil die polizeiliche Durchsicht der Tagebücher ergeben hat, daß sie für dieses Verfahren ohne Bedeutung sind.

Die Beschlagnahme der Tagebücher der Beschwerdeführerin ist im übrigen insgesamt unzulässig, und zwar aus zwei Gründen.

Zunächst ist sie unzulässig, da sie auf einer unzulässigen Durchsuchung beruht.

Ein eigener Durchsuchungsbeschluß gegenüber der Beschwerdeführerin hätte nicht ergehen dürfen, da bei anderen Personen als dem Verdächtigen Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig sind (§ 103 Abs. 1 Satz 1 StPO); die Beschwerdeführerin war bei Erlaß des Durchsuchungsbeschlusses und bei Auffindung ihrer Tagebücher noch nicht verdächtig, und die genannten Voraussetzungen einer Durchsuchung bei Unverdächtigen lagen bei ihr nicht vor. Eine Beschlagnahme zur Ausforschung ist unzulässig (vgl. Kleinknecht/Meyer, StPO, 38.Aufl., § 94 Rdnr. 8 m.w.N.).

Zur Durchsuchung der gemeinsamen Räume des Beschuldigten und der Beschwerdeführerin hätte es auch eines eigenen Durchsuchungsbeschlusses gegenüber der Beschwerdeführerin - wie hier ergangen - nicht bedurft. Ein Durchsuchungsbeschluß gegenüber dem Beschuldigten hätte zur Durchsuchung des gemeinschaftlichen Herrschaftsbereichs, nämlich der gemeinschaftlichen Wohnung, ausgereicht. Für die Durchsuchung der Wohnung oder Räume des Verdächtigen gemäß § 102 StPO ist es gleichgültig, ob der Verdächtige Allein- oder bloß Mitinhaber der tatsächlichen Herrschaft über die Räumlichkeiten ist (vgl. BGH NStZ 1986, 84). Ein Durchsuchungsbeschluß gegenüber dem Beschuldigten hätte jedoch nicht erlaubt, Papiere, die ohne weiteres eindeutig seiner Ehefrau zuzuordnen sind, also nicht zum gemeinschaftlichen Herrschaftsbereich gehören, zu durchsuchen oder - wie die StPO die Durchsuchung von Papieren nennt (§ 110 StPO, vgl. auch Kleinknecht/Meyer, Rdnr. 6)- durchzusehen.

Die Unzulässigkeit der Durchsicht der Papiere, die noch Teil der Wohnungsdurchsuchung gewesen ist, läßt es nicht zu, die Papiere wegen des darin erst Gefundenen zu beschlagnahmen, denn die Durchsuchung hat nicht nur das Eigentum der Beschwerdeführe...

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