Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltsplicht. Kraftfahrer
Leitsatz (amtlich)
Zu den Sorgfaltspflichten zweier Kraftfahrer untereinander, deren Fahrzeuge beim Herausfahren aus gegenüberliegenden Parktaschen miteinander kollidieren.
Normenkette
BGB § 276; ZPO §§ 286, 288, 529 Abs. 1 Nr. 1; StVG §§ 7, 17-18; StVO § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 5, § 10 S. 1
Verfahrensgang
AG Homburg (Urteil vom 02.12.2009; Aktenzeichen 7 C 238/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Homburg vom 2. Dezember 2009 – 7 C 238/07 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 730,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.747,62 EUR vom 6. Juni 2007 bis zum 25. Oktober 2007 und aus 730,35 EUR seit dem 26. Oktober 2007 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 229,55 EUR zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 34 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 66 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am … gegen 12.40 Uhr in … – auf dem … – ereignete.
Die … wird auf beiden Seiten von einem Bürgersteig und quer zur Fahrbahn verlaufenden Parktaschen gesäumt. Der Kläger und der Erstbeklagte fuhren mit ihren Pkws jeweils rückwärts aus gegenüberliegenden, schräg zueinander versetzten Parktaschen heraus. Zwischen beiden Fahrzeugen kam es zur Kollision, deren Hergang zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist.
Der Kläger hat behauptet, er habe gestanden, als der Erstbeklagte gegen sein Fahrzeug gestoßen sei. Die Wertminderung des Fahrzeuges belaufe sich auf 350,00 EUR.
Erstinstanzlich hat der Kläger Reparaturkosten (1.442,49 EUR netto), Wertminderung (350,00 EUR), Gutachterkosten (376,04 EUR) sowie eine Unkostenpauschale (25,00 EUR), insgesamt 2.193,53 EUR nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen abzüglich am 25.10.2007 gezahlter 1.017,27 Euro geltend gemacht.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behaupten, im Zeitpunkt der Kollision hätten sich beide Fahrzeuge in einer Rückwärtsbewegung befunden. Die Wertminderung belaufe sich lediglich auf 200,00 EUR.
Das Erstgericht, auf dessen Feststellung Bezug genommen wird, hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Inaugenscheinnahme der Unfallörtlichkeit. Daraufhin hat es die Beklagten auf der Annahme einer hälftigen Schadensteilung zur Zahlung weiterer 75,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.06.2007 sowie zur Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 155,30 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Erstgericht im Wesentlichen ausgeführt, beide Seiten hätten gegen die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten nach §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 und 10 StVO verstoßen. Der Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden habe, rechtfertige keine andere Haftungsquotelung. Beide Parteien müssten ungefähr zur gleichen Zeit ihre Rückfahrmanöver begonnen haben. Eine Ausnahme vom Grundsatz der hälftigen Schadensteilung könne bei Kollision zweier rückwärts fahrender Fahrzeuge nur dann gelten, wenn ein Fahrzeug bereits längere Zeit gestanden hat, bevor es zur Kollision kam. Das Halten für ein bis zwei Sekunden stelle in jedem Fall keinen ausreichenden Zeitraum dar, der eine andere Haftungsverteilung rechtfertige.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er macht geltend, eine etwaige Verletzung seiner Sorgfaltspflichten sei nicht unfallursächlich geworden, da er im Unfallzeitpunkt gestanden habe. Er beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 1.101,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2007 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von weiteren 117,57 EUR zu zahlen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung und beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nur in dem tenorierten Umfang begründet. Der Kläger hat 20% seines Schadens selbst zu tragen.
1. Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Beklagten als auch der Kläger grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 3 Pflichtversicherungsgesetz a.F. einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen i...