Entscheidungsstichwort (Thema)

Strom. Gas. Energielieferung. Versorgungseinstellung. Zugangsgewährung. Zählerausbau. Duldung. Erledigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein Anspruch des Energieversorgers gegen den Energieabnehmer auf Duldung der Versorgungseinstellung und Zugangsgewährung zu den Messeinrichtungen besteht, wenn der Energieabnehmer selbst keinen Zugang zu den Messeinrichtungen hat.

 

Normenkette

StromGVV § 19; GasGVV § 19; BGB § 275 Abs. 1, §§ 320, 985; ZPO §§ 91a, 344

 

Tenor

  • 1.

    Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Siegen vom 8. und 9. November 2011 (Az. 14 C 987/09) wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

  • 3.

    Der Streitwert für die Beschwerdeinstanz wird auf bis zu 2.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beklagte war Mieterin und Bewohnerin einer Wohnung in dem zwangsverwalteten Gebäude B in I. Dort bezog sie Strom und Gas von der Klägerin, einem Energieversorgungsunternehmen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob - zumindest faktisch durch Abnahme der Energie - ein entsprechender Lieferungsvertrag zwischen ihnen zustande gekommen war. Die Messeinrichtungen der Klägerin für die von der Beklagten verbrauchte Energie befanden sich in Räumen, zu denen allein der Vermieter und der Zwangsverwalter, hingegen weder die Klägerin noch die Beklagte Zugang hatten. Es liefen Forderungen der Klägerin für Energieverbrauch in Höhe von mindestens 2.514 € auf. Die Klägerin forderte die Beklagte mehrfach vergeblich zur Zahlung auf. Versuche der Klägerin, die Energielieferung an die Beklagte einzustellen, schlugen fehl, da ihrem Beauftragten kein Zugang zu den Messeinrichtungen gewährt wurde.

Mit ihrer Klage hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einem mit einem Ausweis versehenen Beauftragen des zuständigen Netzbetreibers, der durch sie - die Klägerin - beauftragt wird, Zutritt zu der (im Antrag näher bezeichneten) Abnahmestelle auch zwangsweise durch den Gerichtsvollzieher zu gestatten, und die Einstellung der Versorgung durch Ausbau des Stromzählers sowie des Gaszählers (beide im Antrag näher bezeichnet) zu dulden.

Nachdem die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren nicht fristgemäß angezeigt hatte, wurde sie vom Amtsgericht mit Versäumnisurteil vom 18.05.2009 antragsgemäß verurteilt. Während des auf den fristgemäßen Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil fortgesetzten Rechtsstreits zog die Beklagte aus der betreffenden Wohnung aus. Die Klägerin erklärte den Rechtsstreit daraufhin für erledigt. Die Beklagte, der die Erledigungserklärung mit Hinweis gemäß § 91a Absatz 1 Satz 2 ZPO zugestellt worden war, widersprach nicht. Mit Beschluss vom 08.11.2010 entschied das Amtsgericht, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Mit Beschluss vom 09.11.2010 berichtigte es seinen Beschluss vom 08.11.2010 dahingehend, dass die Beklagte die Kosten ihrer Säumnis zu tragen habe. Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß §§ 91a Absatz 1, 344 ZPO entsprach es billigem Ermessen, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Säumnis aufzuerlegen. Denn die Klage hatte keine Aussicht auf Erfolg. Dabei ist zwischen zweierlei Begehren zu unterscheiden, die die Klägerin mit ihrem Klageantrag verfolgt hat: Zum einen eine Verurteilung der Beklagten zur Duldung der Versorgungseinstellung, zum anderen eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung des Zugangs zu den Messeinrichtungen.

a. Soweit die Klage auf Duldung der Versorgungseinstellung gerichtet war, war sie bereits unzulässig. Denn unabhängig davon, ob zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Energieversorgungsvertrag bestand, hatte die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis, die Beklagte zur Duldung der Versorgungseinstellung verurteilen zu lassen. Die Klägerin war auch ohne einen Duldungstitel gegen die Beklagte berechtigt, die Versorgung der Beklagten mit Energie einzustellen.

Falls ein Energielieferungsvertrag bestand, war es der Klägerin gemäß §§ 19 StromGVV, 19 GasGVV erlaubt, die Versorgung der Beklagten mit Strom und Gas zu unterbrechen. Bei diesen Regelungen handelt es sich um besondere Ausgestaltungen der Einrede des nichterfüllten Vertrags (§ 320 BGB). Die Klägerin durfte von dem ihr danach zustehenden Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen, ohne dass die Beklagte zuvor zur Gestattung des Zutritts oder zur Duldung des Zählerausbaus verurteilt werden musste. Denn sobald die Voraussetzungen der Einrede vorliegen, ist es dem Gläubiger gestattet, seine Gegenleistung zurückzubehalten, ohne dass er hierfür eines Titels bedarf. Dies hat das Amtsgericht anschaulich an dem Beispiel verdeutlicht, dass der Versorger zur Einstellung der Versorgung gerade auch dann keinen Titel benötigt, wenn sich die Zähler in seinem eigenen Herrschaftsbereich befinden. Gleiches gilt, falls zwischen den Parteien - wie die Beklagte meint - kei...

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