Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Geltendmachung von Eigenbedarf an einer Sozialwohnung. Schulwechsel der Tochter des Mieters infolge Umzugs keine unzumutbare Härte
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Wird Eigenbedarf für einen Angehörigen an einer Sozialwohnung geltend gemacht, muß der Angehörige wohnberechtigt sein.
2. Der Vermieter hat die Wahlfreiheit zwischen zur Deckung des Eigenbedarfs geeigneten Wohnungen (hier: preisfreie und preisgebundene Wohnungen).
3. Der Schulwechsel des Kindes der Mieter allein ist keine mit der Beendigung des Mietverhältnisses verbundene ungerechtfertigte Härte.
4. Die Räumungsfrist bemißt sich am voraussichtlichen Erfolg der Ersatzwohnraumbeschaffung bei intensiver Bemühung des Mieters.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Das Räumungsbegehren und Herausgabebegehren des Klägers ist begründet (§ 556 Abs. 1 BGB). Durch die Eigenbedarfskündigung des Klägers v. 16.12.1987 ist das Mietverhältnis der Parteien zum 31.12.1988 beendet worden. Zu Recht hat das AG diese Kündigung als wirksam angesehen.
Der geltend gemachte Eigenbedarf (§ 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB) liegt vor. Nach der Rechtsprechung des BGH ist Eigenbedarf anzunehmen, wenn der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen hat (BGH WM 1988, 47). Hier liegen solche vernünftigen Gründe vor. Daß der Sohn des Klägers mit seiner Familie aus der kleinen, ca. 64 qm großen Zweizimmerwohnung in die Wohnung im Hause des Klägers ziehen möchte, die eine Wohnfläche von ca. 93 qm hat und näher an seiner Arbeitsstelle liegt, leuchtet ohne weiteres ein. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob nach der Rechtsprechung des BVerfG (WM 1988, 46; 1985, 75) an die Eigenbedarfskündigung des Vermieters bezüglich des berechtigten Interesses noch geringere Anforderungen zu stellen sind, wofür die Formulierung dieses Gerichts, der Mieter sei nur gegen willkürliche Kündigungen geschützt, sprechen könnte.
Wie die Kammer bereits in ihrem - die erste Kündigung des Klägers betreffenden - Urteil v.19.3.1987 (3 S 86/87 (= WM 1987, 416)) ausgeführt hat, ist die Kündigung einer Sozialwohnung - auch wegen Eigenbedarfs - allerdings nur dann wirksam, wenn der Vermieter oder der Familienangehörige (im vorliegenden Fall also der Sohn des Klägers) im Besitz einer Wohnberechtigungsbescheinigung ist. Anders als im Vorprozeß ist auch diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt. Der Sohn des Klägers besitzt für sich und seine Familie einen - bis zum 1.11.1989 - gültigen Wohnberechtigungsschein.
Ohne Erfolg wenden die Beklagten gegenüber der Kündigung v. 16.12.1987 ein, der Kläger müsse statt ihnen den Mitmietern B. oder M. kündigen, anderenfalls verhalte er sich treuwidrig.
Für die von der Familie B. innegehaltene Wohnung endete die Zweckbindung - die Eigenschaft "öffentlich gefördert" - unstreitig bereits mit Ablauf des 30.9.1987. Da sich der Kläger für diese Wohnung nach dem Wegfall der Preisbindung - Ende der Bindung an die Kostenmiete - eine Mietzinserhöhung offenhalten möchte, er andererseits aber ein Interesse daran hat, den Sohn möglichst preisgünstig wohnen zu lassen, ist es durchaus verständlich und zu billigen, jedenfalls nicht treuwidrig, daß er dem Sohn und dessen Familie eine Wohnung in seinem Haus zur Verfügung stellen möchte, für die er ohnehin nur die Kostenmiete fordern darf.
Auch hinsichtlich der von der Familie M. innegehaltenen Wohnung läßt sich nicht feststellen, daß der Kläger sich bei der Auswahl des zu kündigenden Mietverhältnisses treuwidrig verhalten hat. Denn die Eheleute M. sind ebenso wie die Beklagten Inhaber einer Wohnberechtigungsbescheinigung.
Die Beklagten können nicht nach § 556a Abs. 1 BGB (sog. Sozialklausel) die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Die Beendigung des Mietverhältnisses bedeutet für die Beklagten keine ungerechtfertigte Härte. Der langen Wohndauer ist bereits durch die Länge der Kündigungsfrist Rechnung getragen. Daß der Umzug für die Tochter der Beklagten möglicherweise mit einem Schulwechsel verbunden ist - Näheres dazu haben die Beklagten im übrigen nicht vorgetragen -, begründet keine Härte i.S. des § 556a BGB.
Eine Räumungsfrist von 4 Monaten - gerechnet vom Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses (31.12.1988) - erscheint angemessen und ausreichend. Innerhalb dieses Zeitraumes müßte es den Beklagten bei intensivem Bemühen gelingen, eine neue Wohnung anzumieten.
Fundstellen