Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes im aktienrechtlichen Spruchverfahren unter Berücksichtigung der Abgeltungssteuer.
2. Zur Ausgleichsberechnung nach § 304 AktG
Tenor
1.
Der Antrag der Antragstellerin zu 45 wird als unzulässig verworfen.
2.
Die übrigen Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung werden zurückgewiesen.
3.
Der angemessene Ausgleich wird auf 4,72 € je Aktie festgesetzt.
4.
Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
5.
Der Geschäftswert wird auf 873.907,16 € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Antragsteller begehren als außenstehende Aktionäre der B AG mit Sitz in ... die Festsetzung einer angemessen Barabfindung und eines angemessenen Ausgleichs, nachdem die Hauptversammlung der B AG dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der Antragsgegnerin, der W GmbH, als herrschenden Hauptaktionärin zugestimmt hat.
I.
Die B AG ist ein weltweit tätiger Automobilzulieferer und Mutterunternehmen des B-Konzerns. Sie entwickelt und produziert Produkte in den Geschäftsfeldern Dieselkaltstarttechnologie, Zündungstechnik sowie Elektronik und Sensorik. Ihr Grundkapital betrug zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags 26.000.000 € und es war in 10.000.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt. Die Aktien waren zum Handel im Regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse, der Stuttgarter Wertpapierbörse und im elektronischen XETRA-Handel zugelassen und sie wurden an weiteren deutschen Börsenplätzen im Freiverkehr gehandelt. Die W GmbH, ein Unternehmen des W Konzerns, erwarb am 30.10.2004 von mehreren Großaktionären insgesamt 62,21 % der Aktien der B AG und stockte die Beteiligung infolge eines Übernahmeangebots Ende 2004/Anfang 2005 auf zunächst ca. 69,24 % der Aktien auf. Im vierten Quartal 2007 erwarb sie weitere Aktien und hielt dann 82,17 % der Aktien, der Rest (1.783.484 Aktien) befand sich in Streubesitz (vgl. BG Tz. 28).
Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 11.12.2007 gab die B AG bekannt, dass die Antragsgegnerin über ihre Absicht informiert habe, mit den Vorbereitungen für den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu beginnen (GB S. 6). Auf Antrag der beiden Unternehmen wurde mit Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 18.12.2007 (34 O 214/07 KfH AktG) die X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Wirtschaftsprüfer ..., zur gemeinsamen Vertragsprüferin bestellt. Im Auftrag beider Unternehmen erstellten die Wirtschaftsprüfer ... und ... für die Y AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am 15.03.2008 eine gutachterliche Stellungnahme zum Unternehmenswert zum 21.08.2008 (Anlage AG 1, nachfolgend zitiert als BG und mit Tz.). Danach belief sich der Unternehmenswert auf 618.429.000 € und damit der Wert je Aktie auf 61,84 € (Tz. 238). Ein gewichteter durchschnittlicher Börsenwert für den Zeitraum vom 11.09.2007 bis 10.12.2007 wurde anhand von Daten der BaFin mit 71,32 € ermittelt und als angemessene Barabfindung bezeichnet (BG Tz. 267, 269). Außerdem wurde eine feste Ausgleichszahlung von netto 4,23 € und brutto 4,73 € je Aktie errechnet (BG Tz. 271 ff). Die Vertragsprüfer bezeichneten diese Abfindungs- und Ausgleichsbeträge in ihrem Prüfbericht vom 18.03.2008 als angemessen (Anl. AG 2 in Band IVa, nachfolgend zitiert als PB und mit Seitenzahl).
Am 17.03.2008 wurden der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und der gemeinsame Bericht des Vorstands der B AG und der Geschäftsführung der Antragsgegnerin über diesen Vertrag unterzeichnet (ausgedruckte Downloads von der Website der B AG bei Anl. AG 1 in Band IVa abgeheftet, der Gemeinsame Vertragsbericht wird nachfolgend zitiert als VB und mit Seitenzahl).
Die ordentliche Hauptversammlung der B AG vom 21.05.2008 stimmte dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu. Er wurde am 04.06.2008 ins Handelsregister der B AG beim AG ..., HRB ..., eingetragen. Die Eintragung wurde am 09.06.2008 unter www.registerbekanntmachungen.de bekannt gemacht (Bl. IV 906 a).
Die weitere ordentliche Hauptversammlung vom 20.05.2009 hat auf Antrag der Antragsgegnerin die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer Barabfindung von 73,93 € je Aktie beschlossen. Dies wurde am 30.09.2009 im Handelsregister eingetragen. Hierzu ist ein Spruchverfahren bei der Kammer unter Az. 31 O 173/09 KfH anhängig.
II.
Ab 04.07.2008 bis 09.09.2008 gingen die Anträge der 74 Antragsteller ein (Band I bis III). Durch Beschluss vom 15.09.2008 wurden die Verfahren verbunden und Rechtsanwalt Dr. Schubert zum gemeinsamen Vertreter der nicht antragstellenden Aktionäre bestellt (Bl. IV 884 ff).
Zur Begründung ihrer Anträge wird von den Antragstellern angeführt, der Prüfbericht sei unzureichend, eine ordnungsgemäße Prüfung habe nicht stattgefunden, auch weil sie parallel zur Bewertung durchgeführt worden sei.
Der dem Abfindungsangebot zugrunde gelegte Börsenwert sei unzutreffend aus einem Referenzzeitraum vor der Ad-hoc-Mitteilung ermittelt worden, richtigerweise sei auf de...