Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung von Wohnraum

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Urteil vom 01.08.1990; Aktenzeichen 34 C 5405/90)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 01.08.1990 – Az.: 34 C 5405/90 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bewilligt bis 30.04.1991.

3. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Streitwert der Berufung: 4.344,– DM

 

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Kündigung vom 12.03.1990 hat das Mietverhältnis beendet. Die Kündigung war nach § 565 c Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, da es sich um eine Werkmietwohnung handelt, das Dienstverhältnis zwischen der Klägerin und dem Ehemann der Beklagten beendet ist und die Klägerin nachgewiesen hat, daß dieser Wohnraum für andere bei ihr beschäftigte Personen dringend benötigt Wird.

Das Kündigungsrecht der Klägerin nach § 565 c BGB ist nicht verwirkt. Die Kammer schließt sich der Auffassung nicht an, wonach eine auf § 565 c BGB gestützte Kündigung stets in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses erfolgen müsse (so Palandt-Putzo, BGB § 565 c Anm. 1; Sternel, MietR Anm. IV 263; LG Aachen, WuM 1985, 149/150), wobei eine solche enge zeitliche Nähe schon nicht mehr gegeben sein soll, wenn zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Kündigung mehr als sechs Monate liegen (Sternel, MietR Anm. IV 263). Eine mit Betriebsbedarf begründete Kündigung, die nicht in diesem engen zeitlichen Verhältnis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, soll nach dieser Auffassung umgedeutet werden in eine Kündigung nach § 564 b Abs. 2 BGB, da die dort genannten Fälle des Eigenbedarfs keine abschließende Regelung darstellen. In diesem Fall seien die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB anzuwenden. Diese Auffassung hat daher eine erheblich längere Kündigungsfrist zur Folge, wenn das Mietverhältnis mehr als fünf und weniger als zehn Jahre bestanden hat. Bei Mietverhältnissen von einer Dauer unter fünf Jahren unterscheidet sich die Kündigungsfrist nur um einen Monat; bei einem Mietverhältnis von mehr als zehn Jahren sind nach §§ 565 c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2, 565 Abs. 2 BGB keine kürzeren Fristen für die Kündigung von Werkmietwohnungen gegeben. Andererseits ist der Vermieter nach dieser Auffassung gezwungen, möglichst rasch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch das Mietverhältnis zu kündigen, um sich die kürzere Kündigungsfrist nach § 565 c BGB zu erhalten. Zweck des § 565 c BGB soll es sein, dem Vermieter nach Beendigung des Dienstverhältnisses eine schnellere Kündigung des Mietverhältnisses zu ermöglichen. Eine Einschränkung dahingehend, daß diese verkürzte Kündigungsfrist nur gelten solle, wenn die Auflösung des Mietverhältnisses in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, obwohl in anderen mietrechtlichen Bestimmungen wie §§ 569 Abs. 1 Satz 2, 569 a Abs. 6 Satz 2 BGB besondere „Kündigungszeitpunkte” vorgesehen sind. Der Wortlaut des § 565 c BGB enthält keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber die kürzere Kündigungsfrist bei Werkmietwohnungen nur für den Fall gewollt hat, daß die Kündigung in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß das „Sonderkündigungsrecht” aus § 565 c BGB nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden muß (so auch Emmerich-Sonnenschein, Miete §§ 565 b–565 e BGB Anm. 20). Die Klägerin hat das Kündigungsrecht nach § 565 c BGB auch nicht verwirkt. Für die Annahme der Verwirkung bedarf es nach ständiger Rechtsprechung neben einem Zeitmoment eines Umstandsmomentes, d.h. eines Verhaltens der Klägerin, aufgrund dessen die Beklagte berechtigterweise davon ausgehen durfte, die Klägerin werde das Mietverhältnis auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ehemann der Beklagten nicht kündigen. Die Klägerin hat bereits am 14.12.1988 eine Kündigung ausgesprochen. Infolgedessen bestand für die Beklagte zu keiner Zeit Anlaß, davon auszugehen, eine Kündigung werde nicht erfolgen.

Nach § 721 ZPO war der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu bewilligen. Dabei war auf selten der Beklagten zu berücksichtigen, daß diese nunmehr geschiedene Mutter von drei minderjährigen Kindern ist. Auf Seiten der Klägerin war zu beachten, daß diese mehrere 100 Interessenten für Werkmietwohnungen vorzuweisen hat. Angesichts der Situation auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt hält die Kammer eine Räumungsfrist bis 30.04.1991 für angemessen.

Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1434100

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