Verfahrensgang
AG Reutlingen (Urteil vom 28.08.2012; Aktenzeichen 9 C 513/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 28.08.2012, Aktenzeichen 9 C 513/12 WEG, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in dieser Höhe leisten.
4. Dem Kläger/Berufungsbeklagten wird mit Wirkung zum 25.09.2013 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Birmili gewährt.
Streitwert: 2.000,00 EUR
Tatbestand
I.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die an sich gem. § 511 Abs. 1, 2 Ziff. 1 ZPO statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Anspruch des Klägers auf Beseitigung einer baulichen Veränderung gem. § 1004 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 23.08.2012 nicht (mehr) begründet.
1.
Es kann dahin stehen, ob es sich bei den von den Beklagten anstatt des zuvor angebrachten Drahtzaunes aufgestellten Sichtschutzelementen aus Weidengeflecht um eine bauliche Veränderung handelte, die gem. § 14 Abs. 1 WEG der Zustimmung des Klägers bedurft hätte.
2.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts geht die Kammer – worauf in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde – davon aus, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 23.08.2012 ein gültiger genehmigender Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vorlag, der einen Anspruch nach § 1004 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG jedenfalls entfallen ließ.
a)
Werden Maßnahmen i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG beschlossen oder vereinbart, so sind sie rechtmäßig und zulässig. Auch wenn einem Beschluss nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt haben, handelt es sich unabhängig davon, ob deren Zustimmung erforderlich war oder nicht, um eine rechtmäßige Maßnahme i.S.d. § 22 Abs. 1 (vgl. Bärmann-Merle WEG § 22 Rn. 288).
Die Rechtmäßigkeit beruht auf dem Beschluss, der gem. § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gültig ist, bis er rechtskräftig für ungültig erklärt ist (vgl. Bärmann-Merle WEG § 22 Rn 288; § 23 Rn. 189). Die Anfechtungsklage gem. § 46 Abs. 1 WEG hat keine aufschiebende Wirkung. Der angefochtene Beschluss ist damit für die Wohnungseigentümer, deren Sonderrechtsnachfolger und den Verwalter bindend (vgl. Bärmann-Merle § 23 Weg Rn. 189 m.w.N.).
In der Eigentümerversammlung vom 03.07.2012 wurde folgendem Antrag mit 17 Ja-Stimmen, 1 Enthaltung und einer Gegenstimme zugestimmt:
„Die Eigentümergemeinschaft stimmt der teilweisen Anbringung von Sichtschutzelementen aus Weidengeflecht im Garten der Wohnung Nr. 2, Fam. …, zu.”
Der Kläger hat den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.07.2012 zwar angefochten. Der Beschluss ist auch mit Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 28.12.2012, Aktenzeichen 9 C 1104/12 WEG, für unwirksam erklärt worden. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten jedoch Berufung zum Landgericht Stuttgart eingelegt. Der Berufungsrechtsstreit ist unter dem Aktenzeichen 2 S 3/13 noch anhängig, das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen damit noch nicht rechtskräftig. Dementsprechend ist auch der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.07.2012 noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt und somit gültig.
Für die Nichtigkeit des Beschlusses gem. § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG bestehen keine Anhaltspunkte.
b)
Ob der von der Eigentümerversammlung am 03.07.2012 gefasste Beschluss für ungültig erklärt werden muss, ist vorliegend nicht zu prüfen. Maßgeblich ist für die Frage des Bestehens eines Anspruchs auf Beseitigung allein, ob bzw. dass ein – gültiger – Genehmigungsbeschluss vorliegt. Dies ist nach den obigen Ausführungen der Fall.
c)
Der Kläger war dadurch auch nicht schutzlos gestellt. Er hätte die Möglichkeit gehabt, den Rechtsstreit nach Fassung des Beschlusses am 03.07.2012 für erledigt zu erklären. In diesem Falle wären die Kosten des Rechtsstreits nach dem ohne das erledigende Ereignis voraussichtlichen Verfahrensausgang zu verteilen gewesen. Er hätte sodann den Anfechtungsrechtsstreit vorab führen und ggf. anschließend – je nach Ausgang – erneut Klage auf Beseitigung erheben können.
Die Gefahr, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verhinderung einer erfolgreichen Beseitigungsklage immer wieder bewusst Beschlüsse entgegen den vom Gericht für erforderlich erkannten Mehrheitsverhältnisse fassen könnte, sieht die Kammer nicht als gegeben an. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein solches Vorgehen sodann als treuwidrig anzusehen wäre und ein solcher Beschluss in der Folge nichtig sein könnte.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
4.
Der Streitwert wird ge...