Verfahrensgang
AG Wittlich (Entscheidung vom 04.07.2008; Aktenzeichen 8013 Js 15700/07.3 Cs) |
Tenor
Die Beschwerde der Landeskasse Rheinland-Pfalz vom 28. Juli 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 4. Juli 2008 - 8013 Js 15700/07.3 Cs - wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Dem Strafverfahren liegt zugrunde, dass der Verurteilte am 20. Oktober 2006 in Ungarn trotz erheblichen Alkoholkonsums ein Kraftfahrzeug führte. Die ungarische Strafverfolgungsbehörde gab das Verfahren im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens an die Staatsanwaltschaft Trier ab. Um das Verfahren in Deutschland weiter bearbeiten zu können, bedurfte es der Übersetzung der gesamten Akte in die deutsche Sprache. Dadurch entstanden Übersetzungskosten in Höhe von 1 766,14 €.
Dem Verurteilten wurde durch Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 18. Februar 2008, rechtskräftig seit jenem Tag, die Tragung der Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit Kostenrechnung vom 7. März 2008 wurden ihm unter anderem Kosten in Höhe von 1 766,14 € für Dolmetscher- oder Übersetzungsauslagen in Rechnung gestellt. Hiergegen legte der Verurteilte am 17. März 2008 Erinnerung ein. Mit dem angefochtenen Beschluss folgte das Amtsgericht Wittlich der Erinnerung und änderte die Kostenrechnung dahin gehend ab, dass diese Auslagen nicht in Ansatz gebracht werden.
Dagegen hat der Bezirksrevisor für die Landeskasse Rheinland-Pfalz am 29. Juli 2008 bei Gericht eingegangene Beschwerde eingelegt.
II.
Der zulässigen Beschwerde ist in der Sache kein Erfolg beschieden.
Grundsätzlich bestehen die vom Verurteilten zu tragenden Kosten des Verfahrens nach § 464a Abs. 1 Satz 1 StPO aus den Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Dazu gehören auch die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstandenen Kosten, § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO.
Eine Ausnahme sieht § 464c StPO (Nr. 9005 Abs. 4 KV GKG) vor, der Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK spezifiziert und die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschen rechte umsetzt. Danach dürfen Dolmetscher- oder Übersetzungsauslagen, die unter anderem durch dessen Fremdsprachigkeit entstanden sind, dem Verurteilten im Grundsatz nicht auferlegt werden. Wenn ausnahmsweise davon abgewichen werden soll, ist dies im Urteil ausdrücklich auszusprechen. Die Vorschrift des § 464c StPO ist hier allerdings nicht unmittelbar anwendbar, denn der Verurteilte ist der deutschen Sprache und damit der Gerichtssprache mächtig.
Eine analoge Anwendung des § 464c StPO hat das Amtsgericht zu Recht bejaht.
Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags zum Gesetzentwurf vom 20. April 1989 (BT-Drucks. 11/4394, S. 11-12) bezweckt die Vorschrift die Vermeidung von Benachteiligungen, die dem Angeklagten dadurch erwachsen, dass er der Gerichtssprache nicht mächtig ist. Der Angeklagte soll alle Erklärungen oder Schriftstücke, auf die er zu seiner Verteidigung angewiesen oder soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist, verstehen können (vgl. auch Nr. 9005 Abs. 4 KV GKG). Aus der Begründung zum Gesetzentwurf geht indes nicht hervor, dass der Gesetzgeber die Frage der Tragung von Übersetzungs- und Dolmetscherkosten damit abschließend regeln wollte.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 7. Oktober 2003, NJW 2004, 1095 ff.) mit Blick auf den Grundsatz eines fairen Verfahrens und auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG es für vertretbar erachtet, Kosten, die durch die Übersetzung von Telefonüberwachungsprotokollen anfallen, nicht unter Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK und § 464c StPO zu fassen, mit der Folge, dass diese vom Verurteilten zu tragen sind.
Dies ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn dort ging es um Dolmetscherleistungen allein zugunsten der Justiz, ohne dass dadurch der Angeklagte in seinen Verteidigungsinteressen betroffen gewesen wäre, nämlich um ein einzelnes für die Bejahung des staatlichen Strafanspruchs bedeutsames Beweismittel. Hier indes handelt es sich Übersetzungen, die das gesamte bisherige Strafverfahren umfassen. Aus der Strafakte als solcher ergeben sich jedoch gerade auch die Beteiligungs- und Verteidigungsmöglichkeiten des Verurteilten und dessen Verständnis von dem Tatvorwurf. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht nur die verfassungsrechtliche Vertretbarkeit jener Auffassung bestätigt hat; es hat nicht entschieden, dass eine anders lautende Auslegung des § 464c StPO nicht auch vertretbar wäre. Dies gilt in gleicher Weise für die von der Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. April 1999 (AZ: 2 BvR 555/99 ).
Die vom Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 464c StPO geregelte Interessenlage, nämlich dass der Angeklagte durch seine Fremdsprachigkeit gehindert ist, seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen, ist mit derjenigen des vorliegenden Falls vergleichbar. Der Verurteilte verfügte nämlich über keinerlei Ansatzpunkte für seine Verteidigung, ...