Entscheidungsstichwort (Thema)
Restschuldbefreiung einer mit reduziertem Lehrauftrag tätigen Grundschullehrerin
Normenkette
InsO § 295 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 19. Nov. 2007 (II 1 IK 1/00) abgeändert und der Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen.
Die Kosten dieses Verfahrens trägt die Gläubigerin.
Beschwerdewert: 20.000,– EUR
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über den Restschuldbefreiungsversagungsgrund nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO.
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf ihren Antrag am 3. Aug. 2000 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und die weitere Beteiligte Ziffer 1 zur Treuhänderin bestellt. Durch Beschluss vom 13. Juni 2001 wurde der Schuldnerin die Restschuldbefreiung angekündigt.
Die Schuldnerin war während der gesamten Laufzeit der Abtretungserklärung (Wohlverhaltensperiode) als Grundschullehrerin mit reduziertem Lehrauftrag tätig. Statt 28 Wochenstunden – die einem vollen Lehrauftrag entsprechen – unterrichtete sie lediglich 21 Wochenstunden. Die Gläubigerin ist der Auffassung, durch diese Reduzierung ihrer Erwerbstätigkeit habe die Schuldnerin ihre Obliegenheit nach§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verletzt, da die von ihr geltend gemachten Gründe für die Reduzierung lediglich vorgeschoben seien.
Am 5. Dez. 2004, damit während der 5-jährigen Laufzeit der Abtretung des pfändbaren Teils ihres Einkommens starb der Vater der Schuldnerin. Er wurde auf Grund eines formwirksamen gemeinschaftlichen Testaments der Eltern der Schuldnerin (Bl. 892) von seiner Witwe allein beerbt. Die Schuldnerin und ihre Geschwister wurden zu Erben des überlebenden Ehegatten eingesetzt. Für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils auf den Tod des Erststerbenden wurde dieser Abkömmling auch auf den Tod des Überlebenden von jeder Erbfolge ausgeschlossen und den Abkömmlingen, die den Pflichtteil nicht geltend machen, ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils zugewandt. Die Schuldnerin teilte der Treuhänderin den Tod ihres Vaters und den Inhalt des Testaments ihrer Eltern mit; zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen die Alleinerbin und zur Herausgabe der Hälfte des Werts dieses Vermögens forderte die Treuhänderin die Schuldnerin nicht auf. Die Treuhänderin ist der Auffassung, die Schuldnerin sei nicht verpflichtet gewesen, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.
Die Gläubigerin beantragte am 30. Nov. 2005 (Bl. 691) beim Insolvenzgericht die Versagung der Restschuldbefreiung und hob dabei hervor, die Schuldnerin habe durch ihr Verhalten ihre Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO verletzt.
Durch den angefochtenen Beschluss wurde die Restschuldbefreiung versagt; nach der Auffassung des Amtsgerichts verletzte die Schuldnerin zwar nicht die Erwerbsobliegenheit durch die Reduzierung ihres Lehrauftrags, da sie nach den vorgelegten Unterlagen insoweit jedenfalls kein Verschulden treffe, nachdem ihr durch den Hausarzt geraten worden war, aus Gesundheitsgründen weniger zu arbeiten.
Demgegenüber habe die Schuldnerin die Obliegenheit zur Herausgabe ererbten Vermögens schuldhaft verletzt: zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die Schuldnerin habe den ihr auf den Tod ihres Vaters zustehenden Pflichtteilsanspruch nicht gegen die Alleinerbin geltend gemacht. Der Pflichtteilsanspruch sei ein Vermögenserwerb von Todes wegen und falle deshalb unter die genannte Regelung; entgegen einer angefallenen Erbschaft könne die Insolvenzschuldnerin den Pflichtteilsanspruch jedoch nicht ausschlagen, vielmehr sei sie verpflichtet gewesen, diesen Anspruch geltend zu machen. Im Gegensatz zur Erbschaft – auf die ein Anspruch nicht bestehe – sei der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich nicht entziehbar und deshalb ein Vermögenswert des Schuldners. Im Gegensatz zur Einzelzwangsvollstreckung, bei der nach § 852 Abs. 1 ZPO der Pflichtteilsanspruch erst nach Anerkennung durch den Schuldner oder gerichtlicher Verfolgung pfändbar sei, habe der Insolvenzschuldner – aus Gründen des Gläubigerschutzes – nicht die Befugnis, frei darüber zu entscheiden, ob er diesen Anspruch geltend machen wolle oder nicht. Auch die genannte "Strafklausel" im gemeinschaftlichen Testament stehe der angenommenen Verpflichtung nicht entgegen; die Schuldnerin hätte zwischen den beiden Alternativen: Erlangung der Restschuldbefreiung oder Erhalt der Aussicht auf die Erbschaft nach dem Tod ihrer Mutter wählen müssen. Trotz der von der Schuldnerin genannten Motive für die Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs (Respektieren der testamentarischen Anordnungen ihrer Eltern, Erhalten des gesamten Vermögens der Mutter, die darauf angewiesen ist) und der genannten Strafklausel im Testament ihrer Eltern habe diese beim (...