Rz. 1

Das Fürstentum ist seit dem 1.5.1995 Mitglied des Europäischen Wirtschaftraumes (EWR), nicht aber der Europäischen Union. Die EuErbVO gilt daher in Liechtenstein nicht. Vielmehr bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht aus Sicht der liechtensteinischen Gerichte weiterhin nach Art. 29 des liechtensteinischen Gesetzes vom 19.9.1996 über das internationale Privatrecht (IPRG).[1] Liechtensteinisches Erbrecht kann jedoch über Art. 20 f. EuErbVO zur Anwendung gelangen (vgl. Praxishinweis Rdn 3).

 

Rz. 2

Gemäß Art. 29 IPRG ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen. Gemäß Art. 10 IPRG ist das Heimatrecht des Erblassers sein Personalstatut, mithin seine Staatsangehörigkeit; ist neben dem liechtensteinischen Landesbürgerrecht noch eine weitere Staatsangehörigkeit vorhanden, so ist gleichwohl das liechtensteinische Recht anzuwenden. Hat der Erblasser dagegen mehrere Staatsangehörigkeiten, jedoch nicht das liechtensteinische Landesbürgerrecht, so ist das Recht des Staates anzuwenden, zu welchem die stärkste Beziehung bestand. Das nach Art. 29 IPRG maßgebliche Erbstatut beherrscht sodann den gesamten Bereich der Erbfolge, einschließlich Noterb- und Pflichtteilsrecht. Den Nachweis der Erbenstellung aufgrund Art. 29 IPRG hat derjenige zu erbringen, der sich auf diese Erbenstellung beruft, anderenfalls es bereits an dessen Aktivlegitimation fehlt.

 

Rz. 3

Ist ausländisches Recht maßgebend, so sind dessen Sachnormen anzuwenden (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen). Dies gilt nicht, wenn die Verweisungsnormen des fremden Rechts das liechtensteinische Recht für maßgebend erklären; in diesem Fall sind die Sachnormen des liechtensteinischen Rechts anzuwenden. Es wird also die Rückverweisung befolgt, nicht aber die Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Staates.

 

Praxishinweis:

Ein mit letztem Wohnsitz in Liechtenstein verstorbener deutscher Staatsangehöriger wird also – vorbehaltlich einer zugunsten seines Heimatrechts erfolgenden Rechtswahl gem. Art. 22 EuErbVO – kraft Rückverweisung auf das liechtensteinische Recht gem. Art. 21 EuErbVO aus liechtensteinischer Sicht nach liechtensteinischem Recht beerbt. Aus deutscher Perspektive hingegen würden Art. 29, 10 IPRG eine gem. Art. 34 EuErbVO beachtliche Rückverweisung auf das deutsche Heimatrecht aussprechen.

 

Rz. 4

Eine bedeutende Ausnahme von der Verweisung auf das Heimatrecht des Erblassers ergibt sich jedoch für den Fall, dass eine Verlassenschaftsabhandlung durch ein liechtensteinisches Gericht durchgeführt wird. Das betrifft vor allem den Fall, dass der Nachlass in Liechtenstein belegenes Grundvermögen enthält, denn in diesem Fall sind die liechtensteinischen Verlassenschaftsgerichte für die Abhandlung gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 Jurisdiktionsnorm (JN)[2] ausschließlich zuständig. Für in Liechtenstein belegenes bewegliches Vermögen ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenso eine Zuständigkeit nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 JN gegeben. In diesen Fällen gilt nicht nur für die Einantwortung (Art. 177 ff. Ausserstreitgesetz – AussStrG),[3] sondern – vorbehaltlich einer abweichenden Rechtswahl des Erblassers (siehe Rdn 5) – für sämtliche Fragen der Erbfolge das liechtensteinische Recht (lex fori). Gilt aufgrund der Rechtswahl ausländisches Recht als Erbstatut, so wird aber dennoch für den Erbschaftserwerb, also das Erfordernis der Einantwortung etc., wie auch in Österreich das liechtensteinische Recht weiterhin anwendbar bleiben.[4]

 

Rz. 5

Das Gesetz lässt eine Rechtswahl zu. Der ausländische Erblasser kann gem. Art. 29 Abs. 3 IPRG durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag seine Rechtsnachfolge einem seiner Heimatrechte oder dem Recht des Staates seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts unterstellen. Ein liechtensteinischer Erblasser mit Wohnsitz im Ausland kann durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag seine Rechtsnachfolge einem seiner Heimatrechte oder dem Recht des Staates seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts unterstellen.[5]

 

Praxishinweis:

Daher wird der im Fürstentum belegene Nachlass eines mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstorbenen deutschen Staatsangehörigen aus liechtensteinischer Sicht nach deutschem Recht vererbt. Für den Fall, dass ein liechtensteinisches Verlassenschaftsgericht tätig werden sollte, sollte der deutsche Erblasser aber vorsorglich eine ausdrückliche Rechtswahl in sein Testament aufnehmen.

 

Rz. 6

Hinzuweisen ist auf Art. 29 Abs. 5 IPRG, der bei länderübergreifender Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund Pflichtteilsergänzung eine doppelte Anknüpfung sowohl an das gemäß IPR anzuwendende Recht als auch an das für den Erwerbsvorgang maßgebliche Recht normiert.

 

Praxishinweis:

Pflichtteilsergänzungsansprüche nach einem Erblasser, dessen Rechtsnachfolge von Todes wegen sich nach deutschem Erbrecht bestimmt, sind demnach sowohl nach § 2325 BGB (zehnjährige Ergänzungsfrist mit Abschmelzung) als auch nach § 785 ABGB (unbefristet bei Zuwendung an eine pf...

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